Sonntag, 20. Februar 2011

Vampire

© Pony Canyon

Regie: Iwai Shunji
Ich finde, es zeichnet einen Film aus, wenn man mit dem dargestellten Serienmörder Mitleid empfindet. Und der Protagonist von "Vampire" ist definitiv mehr Serienmörder als Vampir: Er kann Sonnenlicht und Knoblauch ohne Weiteres ertragen und hat keine Superkräfte wie beispielsweise die Teeny-Vampire in "Twilight". Das einzige, was ihm seinen Künstlernamen verleiht, ist sein Appetit auf Blut. Das allerdings gibt er nach dem Trinken dann auch gleich kotzend wieder von sich. Bäh!

Dennoch hat man ihn gern, diesen Vampir. Noch lieber als den glitzernden Robert Patterson. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Film vom Vampir-Hype durch "Twilight" profitiert. Das Interesse an den Blutsaugern ist heutzutage besonders groß. Und so hat dieser Film auch durchaus Ähnlichkeiten mit seinem Blockbuster-Vorbild. Auch hier geht es nämlich eigentlich gar nicht ums Blutsaugen, sondern um die Liebe.

Simon, der Vampir, ist einsam. Er pflegt seine an Alzheimer erkrankte Mutter und unterrichtet Biologie an einer Highschool. An seinen freien Tagen trifft er sich mit suizidalen Mädchen und nimmt ihnen ihr Blut ab. Nein - er ist kein Blutsauger. Er arbeitet mit klinischem Besteck und füllt sich die Brühe gleich portionsweise ab. Seine Opfer sind recht froh, denn ihr "Mörder" ist fürsorglich und sympathisch und sterben wollen sie ja sowieso. So kommt es auch, dass man Simon nicht als brutal erlebt, sondern eher als freundlich. Das wird unterstützt durch seine moralischen Grundsätze. So verurteilt er einen "Kollegen" aufs schärfste, weil dieser nicht nur das Blut seiner Opfer aussaugt, sondern die Frauen auch vergewaltigt. "Das ist Vergewaltigung und nichts anderes", sagt Simon verachtend. Nicht sein Stil! Er nimmt nur die Leben, die eh verloren sind, geht dabei aber stets sicher, dass die Mädchen auch wirklich bereit sind, zu sterben. Einer suizidalen Schülerin hingegen rettet er das Leben. Er ist also doch irgendwie ein Held und kein Bösewicht.

Am Ende verliebt er sich sogar in eines seiner Opfer und verschont es. Das Mädchen sieht engelsgleich aus, in ihrer Bettschublade findet er eine Bibel. "Ich schenke Dir mein Leben jeden Tag", sagt sein Opfer und willigt damit ein, sich von ihm regelmäßig größere Mengen Blut abnehmen zu lassen, damit er niemanden mehr töten muss. "Ich werde für Dich leben!"

Geht's noch romantischer? Schade eigentlich, dass Simon inzwischen die Polizei auf den Fersen ist. Sonst hätte das noch eine Twilight-Version mit Anspruch werden können.

Für mich ist der Film eine Metapher. Wir sehen einen Mann, der glaubt, so wie er ist, mit seinen schandhaften Bedürfnissen, würde er nirgends angenommen werden. So erzwingt er sich das, was er zum Leben braucht. Am Ende aber darf er erkennen, dass es auch für ihn einen Menschen gibt, der ihn liebt, obwohl oder gerade weil er ein kompletter Freak ist.

Trotz dieses romantischen Subplots ist der Film nichts für zarte Gemüter. Da fließt schon ne Menge Blut, da werden viele Injektionsnadeln tief in die Haut geschoben... sogar ich mußte mich wegdrehen.
Wer aber mal eine ganz andere Vampirgeschichte erleben will, der sollte sich den Film ansehen.

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Samstag, 19. Februar 2011

7 Khoon Maaf

© UTV Motion Pictures
Regie: Vishal Bhardwaj

Jede Ehefrau denkt einmal in ihrem Leben daran, ihren Gatten zu ermorden. So heißt es jedenfalls in diesem indischen Film. Und die Protagonistin, Susanna, denkt sogar 6 mal daran. Nein, sie denkt nicht nur daran, sie tut es. Gemeinsam mit den Hausangestellten ihres Vertrauens bringt sie einen Ehemann nach dem anderen um die Ecke. Nicht ohne Grund, das muss an dieser Stelle auch gesagt werden. Sie sind untreu, gewalttätig, drogensüchtig - von allem ist etwas dabei. Eigentlich kann einem Susanna leid tun. Im Grunde sucht sie nur die große Liebe und findet eine Enttäschung nach der anderen. Das Gefühl kennen wir doch eigentlich alle, oder?! Vielleicht mit dem Unterschied, dass wir nicht alle Liebhaber und Liebhaberinnen, die uns nicht in den Kram passen, gleich erdolchen.

Am Ende entscheidet sich Susanna vorsichtshalber für die Ehe mit einem Mann, der bereits tot ist. So läuft sie nicht Gefahr, sich eines weiteren Mordes schuldig zu machen. Der Mann, für den sie sich entscheidet, liebt sie mit all ihren Fehlern und Sünden. Und um es noch grotesker zu gestalten, kündigt sie an, sein Blut zu trinken. Na, wer isses?!

Meine Mutter findet das Ende blasphemisch. Ich finde es irgendwie konsequent. Sie sieht in den verschiedenen Männern an Susannas Seite eine Kritik der USA. Jeder spiegele eine andere Facette der Großmacht: der General, der Rockstar, der Künstler, der Spion, der korrupte Polizist, der Ernährungs-Guru... und am Ende Jesus.

Ich hab während des 2 2/1 Stunden langen Filmes auf jeden Fall Spaß gehabt. Der schwarze Humor des Streifens, gepaart mit toller Filmmusik und überzeugenden Darstellern machten das Ganze trotz der Länge immens unterhaltsam. Eine Botschaft konnte ich allerdings für mich nicht mitnehmen. Daher bewerte ich den Film zwar als gut, aber nicht als herausragend.

Wer aber schon immer mal seinen Ehemann loswerden wollte, dem sei der Film zur Inspiration wärmstens empfohlen!!

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Freitag, 18. Februar 2011

Tropa de Elite 2

© Universum

Regie:
José Padilha

Ich bin ziemlich von den Socken, dass auf der Berlinale Fortsetzungen laufen. Nicht nur, weil Fortsetzungen bekannter Weise nie so gut sind wie das Original, sondern auch, weil ich Fortsetzungen eigentlich mit Geldmacherei und Mainstream-Kino verbinde. Vermutlich ist „Tropa de Elite 2“ in seinem Heimatland, Brasilien, aber auch in diese Kategorien einzuordnen. Der erste Teil gewann zwar vor 3 Jahren bei der Berlinale den goldenen Bären, erlangte in unserem Land allerdings niemals Popularität. Völlig zu Unrecht, wie ich finde. Schon als ich das Drehbuch vor einigen Jahren als Lektorin in die Hände bekam, gefiel mir der Stoff.
Der zweite Teil ähnelt seinem Vorgänger in vielem. Er ist in einem Tempo erzählt, das es deutlich erschwert, den Entwicklungen zu folgen – zumal ich nicht immer schnell genug lese, um die Untertitel zu verstehen. Die Kamera ist für meinen Geschmack manchmal zu verwackelt und hält zu viel Brutalität fest. Auch das habe ich vor 3 Jahren schon genauso empfunden. Neu ist, dass es nun statt mehreren Hauptfiguren nur noch einen einzigen, leider extrem amerikanisierten Helden gibt, der natürlich der einzig rechtschaffene Mann im ganzen Land ist.
Nascimiento, Kommandeur bei der Eilteeinheit BOPE, wird seines Amtes enthoben, weil er ein Massaker während eines Gefängnisaufstandes zu verantworten hat (was aber natürlich eigentlich gar nicht auf seine Kappe geht, denn er ist ja ein Held!). Weil das Volk ihn aber nach wie vor mag (denn er ist ja ein Held!) wird er in den Geheimdienst befördert. Dort wird ihm klar, dass das wahre Problem Brasiliens gar nicht die Drogenhändler, sondern die Politiker sind, die selbst viel krimineller sind als die Ganoven, die sie zu verfolgen vorgeben. Bis der Held es endlich schafft, eine beeindruckende Ansprache vor einer Untersuchungskommission zu halten, müssen viele Menschen sterben (darunter auch die weitaus sympathischere, zweite männliche Hauptfigur aus dem ersten Teil) und auch Nascimiento entgeht nur knapp einem Attentat (trotz Maschinengewehrsalven überlebt er unverletzt – er ist ja ein Held!). Beruhigend ist, dass unser Superheld es nicht schafft, das Böse in Brasilien endgültig auszumerzen. Aber das wäre vermutlich dann auch dem dümmsten Zuschauer zu unglaubwürdig.
Wenn man auf Action und brasilianisches Kino steht, ist der Filme eine gute Wahl. Ich fand ihn eher mittelmäßig. Mein Tip: Lieber „Tropa de Elite“ aus der Videothek ausleihen!

Odem

© Obelis Productions  
Regie: Jonathan Sagall


Letztes Jahr hatte ich es erfolgreich vermieden, mir während der Berlinale einen Film im Friedrichstadtpalast anzusehen. Denn bei meinem ersten Kinoerlebnis in diesem Etablissement hatte ich vor lauter Knieschmerzen mitten in der Vorstellung aufspringen müssen, um mich in den Gang zu setzen. Wie kann dieses ehrwürdige Theater nur so unbequeme Sitze haben?! Nun, dieses Jahr führte aus organisatorischen Gründen kein Weg am Friedrichstadtpalast vorbei, weshalb ich mich heute gleich zweimal hintereinander in die engen Reihen quetschen muss.

Für den ersten Film, „Odem“, hat es sich auf jeden Fall gelohnt. Ich hatte eigentlich darauf spekuliert, viel Arabisch und Hebräisch zu hören – zwei Sprachen, deren Klang mich immer wieder aufs Neue verzaubert. Dass der Film dann aber größten Teils auf Englisch war, ist wirklich der einzig wahre Wehrmutstropfen dieses cineastischen Erlebnisses.

Der Film handelt von der Palästinenserin Lara, die in England eine unglückliche Ehe lebt. Eines Tages steht ihre Jugendfreundin Inam vor der Tür. Vor vielen Jahren sind die Freundinnen gemeinsam aus Palästina nach London ausgewandert. Die beiden verbindet nicht nur eine nie ganz definierte erotische Beziehung, sondern auch ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Jugend, das sie zusammenschweißt. Damals hat sich Inam sexuell einem israelischen Soldaten geopfert, um eine Festnahme Laras und ihrer selbst zu verhindern. Das Kind, das aus diesem unseligen Ereignis entstand, hat sie selbst mit einem Kleiderbügel im Badezimmer abtreiben müssen. Lara war dabei. Bei allem und immer.

Trotzdem kann sich Inam nie vollends für Lara entscheiden. Stets hat sie verschiedene sexuelle Beziehungen zu Männern, die nie lange halten. Einer dieser Männer ist ihr Englischlehrer Michael, der sich, nachdem er Inams unstetes Wesen erkennt, für Lara entscheidet. Erst ganz am Ende des Films erfährt auch der Zuschauer, dass die Hochzeit von Lara und Michael für Inam einen doppelten Verlust bedeutet hat. Vielleicht ist sie promiskuitiv, untreu, labil – aber auf ihre ganz eigene Weise hat sie immer eine Verbindung mit Lara gespürt.
Wie auch an dem Tag, an dem sie plötzlich vor Laras Tür steht, Erinnerungen zurückkehren lässt und den Sohn ihrer Freundin kidnappt…

„This is my live. I might as well live it. No questions asked.”

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Jess and Moss

© Strand Releasing
Regie: Clay Jeter

Keine Ahnung, nach welchem Prinzip die Berlinale-Kategorie "Generation" ihre Untertitelung vornimmt. Ich habe dieses Jahr drei Kinderfilme gesehen und mit allen wurde unterschiedlich verfahren. Einmal Originalfassung plus englische Untertitel und deutsches Voiceover. Einmal Originalfassung mit deutschen und englischen Untertiteln gleichzeitig. Und ausgerechnet gestern, als meine Mutter mich mal wieder begleitete, keine Untertitel. Vermutlich hat sie nur etwa 10% der Gespräche verstanden. Ein Glück, dass "Jess und Moss" auch ohne Sprache ganz gut funktioniert.

Es gibt sie doch, die guten US-amerikanischne Independentfilme. Was "Jess und Moss" nun aber mehr zum Kinderfilm macht als beispielsweise "Tomboy" erschließt sich mir nicht ganz. Denn die Geschichte um zwei Kinder aus Kentucky kann keinen Spannungsbogen, keine Action oder irgendetwas sonst vorweisen, dass junge Menschen interessieren könnte.

Dafür kann der Film Charakteristika vorweisen, die man in fortgeschrittenem Alter zu schätzen weiß: Großartige Charakterzeichungen; eine tolle Kameraführung, die die Natur in wunderschönen Bildern auf eine Weise einfängt, dass sie eins wird mit der Handlung des Films; eine gut durchdachte Arbeit mit verschiedenen Filmmaterialien, die die Bilder in immer neuer Qualität erstrahlen lässt - mal glasklar, mal krisslig, so wie die Erinnerung eben ist; eine dezente, aber berührende Filmmusik.

Die Handlung, wenn man sie denn so nennen mag, dreht sich um 2 Kinder recht unterschiedlichen Alters, Jess und Moss, die im ländlichen Kentucky leben. Gezeigt werden ihre gemeinsamen Streifzüge durch die Natur, ihre Gespräche und Spiele in einem heruntergekommenen Haus, bei dem es sich um das Originalhaus der verstorbenen Großmutter des Regisseurs handelt. Moss versucht verzweifelt, sich an seine Eltern zu erinnern, die laut Jess bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen. Jess wiederum wartet seit Jahren vergeblich auf ihre Mutter, die einst sie und den Vater mit dem Versprechen verließ, die Tochter zu sich zu holen. Irgendwie scheinen sowohl Jess als auch Moss an einem Punkt ihres Lebens festzustecken, an dem sie sich zu sehr an Vergangenes klammern, um voran zu gehen. Dass sie sich gemeinsam einen Mikrokosmos erschaffen, innerhalb dessen sich ihr Leben komplett abzuspielen scheint, verstärkt diese Tendenz. Aber keiner von beiden traut sich, diesen Schutzraum zu verlassen. Bis eines Tages Moss feststellen muss, dass Jess' stets gepackter Koffer gemeinsam mit seiner besten und einzigen Freundin verschwunden ist.

Ein wirklich großartiger Film, der aber meiner Meinung nach eher für Erwachsene geeignet ist. Mich hat er an meine Kindheit erinnert, an die Spiele mit meinem Cousin, mit dem ich oft lange Zeit im Haus meiner Großeltern verbrachte. Krampfhaft versuche ich dieses Haus, das inzwischen verkauft wurde, immer in lebendiger und glasklarer Erinnerung zu behalten. Genau um diesen Versuch, beruhigende Elemente der Kindheit in sich zu beschützen, dreht sich dieser Film. Und weil jeder diesen Versuch kennt, übt "Jess und Moss" auch auf alle eine so große Phaszination aus. Und das Besondere daran ist, dass sogar meine Mutter, die die Hintergrundgeschichten der Figuren vermutlich nicht verstanden hat, nur durch die Bilder des Films diese Gedanken ebenfalls wahrgenommen hat. Ein Zeichen dafür, dass hier wirklich mit dem optischen Medium Film gearbeitet wird.

"Jess und Moss" sei hier jedem empfohlen, der sich gerne in seine Kindheit zurückträumt. Hoffentlich schafft der Film es in unsere Kinos.

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Mittwoch, 16. Februar 2011

Gandu

© Jinga Films/ Regie: Kaushik Mukherjee
"Gandu" ist angeblich die bengalische Bezeichnung für "Arschloch" oder "Wichser". So ganz genau kann uns das der Regisseur mit dem Künstlernamen Q nicht erklären. Ist aber auch nicht so wichtig, denn wir haben ja den Film gesehen und können uns selber überlegen, wofür die Bezeichnung stehen könnte. Meiner Meinung nach passt "Armes Schwein" ganz gut.

Gandu ist ein junger Mann mit großen Träumen. Er wäre gerne ein berühmter Rapper und spielt jeden Tag Lotto in der Hoffnung auf den Hauptgewinn. Eigentlich hat er es ganz gut: Er wohnt in einer sauberen Wohnung mit Spülklo - echter Luxus, wenn man seinem Freund Ricksha glauben will, der in einem Slum zu Hause ist. Aber Gandu ist nicht zufrieden. Er beklaut den Freund seiner Mutter während die beiden Sex haben und investiert das Geld in Drogenexzesse mit Ricksha. Dabei erlebt er so manche aufbauende Vision von Göttinnen, Sex und dem lang ersehnten Lottogewinn. Was davon real und was davon nur Teil des Drogenrausches ist, wird für meinen Geschmack nicht recht deutlich. Das stört mich aber weniger, da der Film insgesamt so überdreht ist, dass man sowieso nicht mit einer linearen Erzählung rechnet. Die Story wird immer wieder von Gandus Rap-Einlagen unterbrochen, die im Stil eines Musikvideos präsentiert werden. Wenn man auf die Musik steht - und ich stehe voll auf Gandus Musik - macht das wirklich einen Heidenspaß! Unterstützt wurden diese musikalischen Einlagen übriens von der Asian Dub Foundation.

Irritiert haben mich trotz der reichlich liberalen Erziehung meiner Mutter und diverser Pornoerfahrungen die expliziten Sexszenen. Ich habe einfach noch nie Oralverkehr im Hauptkino des Cinemax gesehen: Krass groß! Da wundert es mich nicht, als Q erzählt, dass er diesen Film nicht in Indien zeigen könne. Ob das wohl wirklich an Indien liegt? Ich bin mir nicht ganz sicher...

Der Moderator, der die Q&A übernimmt, ist nicht nur gut vorbereitet, sondern bereits ein Fan des Films. Deshalb macht das Interview, das er führt, mindestens so viel Spaß wie der Film selbst. Witziger Weise meldet sich ein indischer Zuschauer, der mich stark an eine Person von vor einem Jahr erinnert. Bei der Berlinale 2010 hatte ich ebenfalls einen indischen Film gesehen, der durch seine sexuellen Implikationen als kontrovers zu bezeichnen ist. Auch damals wurde eine kritische indische Stimme laut. Ein Phänomen, das mir noch in keinem anderen Film untergekommen ist. Handelt es sich hier um einen speziellen indischen Nationalstolz, der die Zuschauer dazu verleitet, das Gezeigte zu verurteilen? In diesem Fall brachte der Mann den Eindwand, die von Gandu benutzte Sprache - das Pendant zum Kiezdeutsch ("Alta", "Krass", "Lan", "Schüsch") sei erfunden und werde nirgends gesprochen. Q bleibt ruhig. Er ist von seinem Film überzeugt.
Richtig so!

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Gandu Trailer from moifightclub on Vimeo.

Dienstag, 15. Februar 2011

Fjellet

© Bavaria Film/ Regie: Ole Giæver

Nora und Solveig steigen gemeinsam auf den Berg, auf dem sie vor 2 Jahren ihren Sohn Vettle verloren haben. Nun erwartet Solveig ein Kind, das das Liebespaar eigentlich gemeinsam aufziehen will. Doch etwas stimmt nicht mit ihrer Beziehung. Das neue Leben scheint alte Wunden aufzureißen. Gleichzeitig aber wehrt sich Nora dagegen, über den Tod ihres Sohnes zu reden. Solveigs letzte Hoffnung ist die Rückkehr an den Ort des schrecklichen Geschehens.

Die Kamera begleitet die beiden Frauen durch eine idyllische und friedliche Gebirgslandschaft. Gleichzeitig hat die Einsamkeit aber auch etwas Bedrohliches. Für mich zumindest. Was, wenn mir auf einer solchen Wanderung etwas zustößt? Weit und breit gibt es keine Menschenseele, die mir helfen könnte. 

Die Landschaft spiegelt für mich auch die Emotionen des Films wieder. Auf der einen Seite geht es ruhig zu. Kein Druck auf die Tränendrüse, keine Action, kein Drama. Und doch schwingt da diese tiefe Traurigkeit mit, die die Frauen in sich tragen. Traurigkeit über den Verlust des Kindes, über das Scheitern der Beziehung und ihre Unfähigkeit miteinander zu trauern. Nora und Solveig stoßen sich gegenseitig voneinander fort, sind beide nicht in der Lage, einander das zu geben, was sie brauchen, um die Situation zu bewältigen. Und gerade das macht diese Geschichte so unendlich tragisch und rührend. 

Obwohl in dem Film nahezu nichts passiert, ist mir keine Minute langweilig. Ich lasse mich vollkommen aufsaugen von der Atmosphäre des Films, so dass am Ende dann doch ein paar kleine Tränen kullern. Ich bin beeindruckt, wie die Schauspielerinnen es schaffen, trotz reduzierter Handlung derart viele Gefühle zur mir in den Zuschauerraum zu transportieren.

Leider kann ich meine Bewunderung nicht zum Ausdruck bringen. Weder Regisseur noch Schauspieler sind anwesend. Dabei ist das Ende der Berlinale noch nicht in Sicht. Sind sie etwa gar nicht angereist?
Aber das bleibt dann auch der einzige Wermutstropfen dieses Abends.

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Montag, 14. Februar 2011

Mit dem Bauch durch die Wand

© Columbus Film/ Regie: Anka Schmid
Als ich mich gerade gemütlich in meinen Kinosessel gelümmelt habe, fällt mir siedend heiß ein, dass ich mich ja wieder in einem Kinderfilm befinde und nun wieder dem deutschen Voiceover lauschen muss. Zu meinem Glück haben sie das Sprachproblem in der Kategorie Jugendfilm anders gelöst: es gibt sowohl englische als auch deutsche Untertitel. Ein Glück.

Der Dokumentarfilm aus der Schweiz begleitet drei junge Mütter über einen Zeitraum von 3 Jahren. Gemeinsam haben sie, dass sie alle vor ihrem 18. Lebensjahr schwanger geworden sind. Es handelt sich hier aber nicht um die Berlinale-Version von „Mitten im Leben“, sondern um einen zurückhaltenden Dokumentarfilm, der das Dasein der Teeny-Mütter manchmal geradezu beschönigt. Keine Skandale, Dramen, Exzesse. Kein Geplärr, keine Schläge oder Drogen – kein Bedarf an der Super-Nanny. Stattdessen einfühlsame Geschichten von jungen Frauen, deren Leben zwar auf den Kopf gestellt wird, die daran aber eher zu wachsen als zu zerbrechen scheinen. Geschichten von Überforderung, aber auch von Familiengründung und Zukunftsplänen. 

Am Ende frage ich mich einmal mehr, warum ich eigentlich immer so viel darüber nachdenken muss, wann der richtige Zeitpunkt für ein Kind ist. Wollte die Filmemacherin das mit ihrem Film erwirken? Dass junge Frauen wild lospimpern? Wohl kaum. Sie selbst sagt, dass sie gar keine spezifische Aussage im Sinn gehabt habe. Sie wollte einfach einen Film über junge Mütter machen. Und Punkt.

Ich bin begeistert. Bislang der beste Filme der diesjährigen Berlinale. Und ein tolles Kontrastprogramm zu dem Mist, dem unsere deutschen Jugendlichen tagtäglich durchs Privatfernsehen ausgesetzt sind. Denn RTL und Konsorten liefern mit ihren Sendungen ein Bild von Müttern, die ihre Kinder als Rechtfertigung für ihr Scheitern am Leben benutzen. „Mit dem Bauch durch die Wand“ erzählt die gegenteilige Geschichte, bleibt dabei ehrlich und kehrt die Probleme nicht unter den Teppich. Vielleicht mag der Film dazu verleiten, selbst Nachwuchs in die Welt zu setzen. Aber er spornt auch an, allen Widrigkeit zum Trotz, ein verantwortungsbewusster Mensch zu werden.
Klasse. 

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Yelling to the Sky

© MPI Media Group/ Regie: Victoria Mahoney
Bevor der Film losgeht tausche ich mich mit meiner Begleitung über die Filme aus, die wir im letzten halben Jahr gesehen haben. Dabei stellen wir fest, dass man trotz ähnlichen Filmgeschmacks doch sehr unterschiedliche Meinungen zu einem konkreten Film entwickeln kann. Bei „Yelling to the Sky“ sind wir uns dann aber einig.

Der Film handelt von einem weiblichen Jugendlichen ohne Perspektive in den USA. Sweetness fühlt sich von der Welt verachtet: Ihre Erzfeinding Latoya hetzt einen Schlägertrupp auf sie, ihr Alkoholiker-Vater ist nicht minder gewalttätig, ihre ältere Schwester lässt sie im Stich, um mit einem Typen durchzubrennen und ihre Mutter ist zu depressiv, um auch nur zu registrieren, dass Sweetness das Haus betritt. Deshalb entscheidet das bis hierhin recht brave Mädchen, eine neue Identität anzunehmen. Sie fängt an, mit Drogen zu dealen, baut sich eine Clique auf und schlägt eigenhändig die arrogante Latoya zusammen. Sie kifft, kokst, säuft, macht mit Jungs rum und fährt das Auto ihrer Schwester zu Schrott, die inzwischen samt Nachwuchs wieder in das Elternhaus zurückgekehrt ist. Doch bei all dem scheint Sweetness immer bewusst zu sein, dass sie nur diese schreckliche Leere in sich zu kompensieren sucht. Und so wendet sie sich am Ende ebenso rasch und radikal wieder zum Guten, wie sie sich zuvor für die wilde Seite entschieden hatte.

Und genau da liegt auch das Problem des Films. So einfach ist es im Leben nun mal nicht. Man entscheidet als gedemütigter Teenager nicht von einem Tag auf den anderen, dass man jetzt „cool“ ist und selbst austeilt statt einzustecken. Und genauso wenig entscheidet man, dass man plötzlich nicht mehr saufen, sondern doch lieber aufs College gehen will. Das Ende des Films macht es sich zu einfach und wirkt daher nicht überzeugend. Es ist, als hätte der Drehbuchautor gedacht: „Oh, ich hab nur noch 3 Seiten übrig… Na, dann wird halt jetzt alles wieder gut.“ Die Mutter ist plötzlich wieder klar im Kopf, der Vater hört auf zu trinken und entwickelt fürsorgliche Züge… das ist nicht mehr nur unglaubwürdig, sondern ärgerlich. Für mich zumindest. In der Realität merken schlechte Väter nicht plötzlich, was sie für Arschlöcher gewesen sind und fangen an, sich liebevoll ihrem heranwachsenden Nachwuchs zu widmen. 

Schade, dass das Potenzial des Films, das insbesondere durch die gute schauspielerische Leistung gegeben ist, so suboptimal genutzt wird. Aber mein Fazit ist dennoch: Wenn man sich für diese Art Film interessiert, kann ich eigentlich nur raten, sich lieber mal die DVD von „Precious“ aus der Videothek auszuleihen.



Sonntag, 13. Februar 2011

El Premio


© Global Film Initiative/ Regie: Paula Markovitch
Ich hoffe, bis zur nächsten Berlinale vergesse ich nicht, dass es sich nicht lohnt, Karten für die Urania im Vorverkauf mit Aufpreis zu erwerben. Der Film gestern Abend war bislang der einzige, der jenseits von ausverkauft war. Ich fand’s toll – so konnte ich mich genüsslich auf die freien Plätze neben mir ausbreiten.

Der argentinische Film aus Mexiko wurde konsequent aus der Sicht der etwa 7-jährigen Protagonistin erzählt. Die lebt mit ihrer Mutter in einer in Auflösung begriffenen Strandhütte, in der sie sich vor dem Militär versteckt halten. Warum die Soldaten die Mutter töten wollen, das weiß Cecilia nicht so genau und deshalb wissen wir es auch nicht. Die Kleine ist überglücklich, als ihr gestattet wird, eine nahe Schule zu besuchen. Schnell findet sie eine enge Freundin, mit der sie in der wilden Strandlandschaft spielt. Was idyllisch klingt, ist eigentlich karg, stürmisch und kühl – letzteres nicht nur farblich, wie die dicken Jacken der Kinder stets verdeutlichen. Die Situation spitzt sich zu, als Cecilia in der Schule für einen Wettbewerb einen Aufsatz über das Militär schreiben soll. Sie hat zwar die Anweisung von der Mutter, mit niemandem darüber zu reden, dass die Soldaten böse und grausam sind, dass sie ihre Cousine umgebracht und das schöne Klavier zerstört haben. Aber schreiben darf man doch, oder?!

Ein Mann im Publikum beschwerte sich im Nachhinein, die Figur der Cecilia sei anstrengend gewesen. Allgemein gesprochen, ist das Mädchen sicher das, was meine Mutter als „schreckliches Kind“ bezeichnen würde: laut und überdreht. Aber da wir durch ihre Augen die Geschichte erleben, wissen wir eigentlich –also meine Begleitung und ich zumindest –, dass Cecilia permanent um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter kämpft. Die hat die Hoffnung darauf, dass ihr Mann eines Tages kommen und die Situation erleichtern wird, aufgegeben und vegetiert mehr oder weniger stumm vor sich hin. Manchmal bin ich sauer auf die Mutter, weil sie sich gehen lässt und dem Kind keine Wärme gibt. Manchmal bekomme ich eine Gänsehaut, weil sie mir so leid tut. So zum Beispiel als sie während einer Sturmflut verzweifelt versucht, das einströmende Wasser aus der kleinen Hütte zu fegen. 

Wie immer ist das Schlimmste an der Geschichte ihr Wahrheitsgehalt. Dass die Regisseurin und Drehbuchautorin den Film ihren Eltern widmet, führt uns zu der Annahme, dass dieser Film tatsächlich autobiographische Züge hat. Leider ist niemand vom Filmteam anwesend, um das genauer zu erklären. Dann aber wieder spielt das auch keine Rolle. Denn selbst wenn dies keine Geschichte aus dem Leben der Filmemacherin ist, ist es sicher eine Geschichte aus dem Leben eines anderen Kindes während der Militärdiktatur Argentiniens. 

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Pressespiegel bei film-zeit.de

Interview mit der Regisseurin und Filmausschnitte

Las Malas Intenciones

© Barry Film/ Regie: Rosario Garcia-Montero
Mein erster Kinderfilm der diesjährigen Berlinale ist ausgerechnet ein peruanischer Film, worüber ich mich natürlich sehr freue. Peruanische Filme sind selten, dabei ist das peruanische Spanisch das einzige, das ich wirklich verstehe. Aber es war mir leider nicht vergönnt, hier das Filmerlebnis mit einer Spanischlektion zu verbinden, denn die Berlinale-Organisation hat sich etwas ganz Großartiges einfallen lassen. Der Film wurde in 3 Sprache gezeigt: in spanischer Originalfassung mit englischen Untertiteln und einem deutschen Voiceover. Ja, genau. Während des gesamten Filmes war die Stimme einer Frau zu hören, die netter Weise alle Rollen auf Deutsch mitsprach, so dass man auch bloß nicht den Klang der Originalfassung genießen konnte. Ich war entsetzt.

Natürlich weiß ich, dass diese Neuerung es dem jungen Publikum leichter machen soll, die Filme zu verstehen. Aber ich für meinen Teil konnte mich bei diesem Sprachenwirrwarr nicht mehr wirklich auf den Film konzentrieren. Und das war sehr, sehr schade, denn das, was ich neben dem babylonischen Erlebnis mitbekam, war fantastisch.

Es geht um die junge Cayetana, die im Peru der 80er Jahre in wohlhabenden Verhältnissen lebt. Der Terrorismus ist etwas, das zwar im Hintergrund ihres Lebens existiert – der Strom fällt aus, es gibt Bombenalarm in der Schule – aber im Großen und Ganzen lebt sie ein behütetes Leben. Doch Cayetana ist einsam. Ihre Mutter ist über längere Zeit nicht zu Hause, ihr leiblicher Vater vergisst meistens, sie für den Sonntagsausflug abzuholen. Ihr Stiefvater und die Angestellten sind ihr zwar freundlich gesinnt, aber das kann das Mädchen nicht darüber hinwegtrösten, dass sie für ihre Mutter nur Hass zu empfinden vermag. Als dann auch noch die Geburt eines Brüderchens angekündigt wird, ist Cayetana sicher, dass dies ihr Ende bedeutet.
Es scheint, als ob die Stimmung des Landes, die ewige Präsenz des Terrors und des Todes, sich auf dieses morbide Mädchen übertragen würde. Cayetana entwickelt eine Faszination für die Vergänglichkeit, von der sie plötzlich umgeben scheint. In ihrer Fantasie wendet sie sich an die Helden ihrer Nation, die – wie sie? – alle Schlachten verlieren und trotzdem Helden bleiben. Doch obwohl sie versucht, mit dem Tod zu verhandeln, ihn bittet das Leben ihrer totkranken Freundin Jimena zu verschonen und stattdessen doch lieber sie selbst, Cayetana, zu holen, kommt dennoch am Ende alles anders.

Die Hauptdarstellerin war während der Dreharbeiten nur 7 Jahre alt Als die kleine Person unter tosendem Applaus die Bühne betritt, kann ich noch gar nicht glauben, dass es sich um dieselbe handelt, die eben noch so eine fantastische Schauspielleistung auf der Leinwand abgeliefert hat. Leider ist nur noch Zeit für 3 Fragen, die leider vom Publikum nicht optimal genutzt werden: „Wie alt ist Cayetana?“ „Wie hat Cayetana die Regisseurin kennengelernt?“ „Wurden für diesen Film wirklich Kanarienvögel getötet?"

Aber eigentlich war dieser Film auch so klar, dass gar nicht mehr so viele Fragen notwendig sind. Er bleibt mir im Gedächtnis als ein anspruchsvoller Kinder- und ein anrührender Erwachsenenfilm, den ich jedem Harry Potter und High School Musical vorziehen würde.

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Samstag, 12. Februar 2011

Utopians

© Arsenal /Regie: Zbigniew Bzymek
Der zweite Film am Freitagabend hat viel Ähnlichkeit mit dem ersten: Er ist verwirrend und die Diskussion mit dem Filmemacher bringt keine Klarheit. Als der polnisch-stämmige Regisseur beginnt, die Fragen des mal wieder ausgezeichnet vorbereiteten Moderators zu beantworten, fühle ich mich an meine Schulzeit erinnert. Damals habe ich, wenn mal wieder ein Referat stümperhaft vorgetragen wurde, gerne die „ähm“s gezählt. Die Ausführungen des jungen Mannes bestehen quasi nur aus „ähm“ und „like“ und sind wenig aufschlussreich.

Der Film handelt von einem gescheiterten Yoga-Lehrer, dessen Tochter Zoe aus dem Krieg zurückkehrt. Gemeinsam mit ihrem Vater, Roger, holt sie ihre schizophrene Geliebte, Maya, aus der Irrenanstalt und zusammen versuchen die drei ein Haus zu renovieren, um etwas Geld zu verdienen. Doch Roger ist viel zu depressiv, um die Dinge in die Hand zu nehmen. Und auch Zoe und Maya scheinen mehr Interesse daran zu haben, oben ohne durchs Bild zu laufen, als sich die Hände dreckig zu machen. 

Die Handlung ist erneut fragmentiert erzählt, so dass ich hier keinen Anspruch auf Richtigkeit erhebe. Der Regisseur erklärt, dass man Menschen in der Realität auch so kennenlernen würde: Nach und nach erfährt man, was der Mensch zuvor gemacht hat, aber eben nicht in einer linearen Erzählung. So weit so gut. Damit kann ich etwas anfangen.

Die Figur, die mich am meisten interessiert hat, ist Roger. Er redet so langsam, dass man im Kinositz schon Aggressionen spürt und rufen will: „Nu spucks endlich aus, Du Depp!“ und erinnert damit stark an den Filmemacher selbst. Wieder sehe ich eine ganz klare Parallele zwischen Künstler und Kunstwerk. Spannend irgendwie.

Unterm Strich hätte der Film meiner Meinung nach seinen schön angelegten Charakteren etwas mehr Raum und Bedeutung geben können. Mir fehlt nicht unbedingt die Chronologie, aber doch eine Richtung in die das Ganze laufen könnte. Aber vielleicht ist es gerade diese Richtung, die den gescheiterten Figuren in ihrem Leben und daher auch dem Film an sich fehlt. 




Folge mir

© Stadtkino/ Regie: Johannes Hammel
„Same procedure as every year, James!“
Ein Menschenauflauf im Vorraum des Delphi. Ungünstiger Weise werden die Gäste aus dem Kaffee durch einen viel zu schmalen Durchgang am Damenklo vorbei in den Vorraum des Kinos geleitet. Es entsteht ein Chaos, weil noch immer große Mengen an den Veranstaltungsort stürmen, eine kleine Gruppe Damen aber in die entgegensetzte Richtung läuft, um sich zu erleichtern. Unmut wird laut. Es wird geschubst. Keiner ist verantwortlich. Die Klofrau schiebt die Verantwortung zum Kinobesitzer. Der behauptet, die Festivalleitung sei schuld – das Kino sei dem großen Ansturm nicht gewachsen. Woran erinnert uns das? Genau. An viel Parade mit wenig Liebe.

Als meine Mutter im Getümmel untertaucht, um uns einen Platz zu sichern, muss ich an das Lied denken, das sie mir früher immer vorgesungen hat. Das Lied in dem Bolle seinen Jüngsten mitten im „Jewühl“ verliert. Ich bin heidenfroh als ich sie wohlbehalten im Kinosaal wiederfinde.

Aber nun zum Film: Pius lebt mit seinen Eltern in bester Wohnlage. Idyllisch im Wohlfühldreieck zwischen Umladebahnhof, Containerhafen und 6-spuriger Autobahn. Seine depressive Mutter wird aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen von verschiedenen Schauspielerinnen gemimt, was nicht unbedingt zu meinem Verständnis dieses Werkes beiträgt. Der Vater hat seine eigenen kleinen Dämonen, die er ausagiert, in dem er den Putz von den Wänden kratzt oder den Tannenbaum mit Paketklebeband in ein praktisches Päckchen schnürt. Aber Pius größtes Problem ist sein sadistischer Religionslehrer, der in einem Satz Jesu Güte preisen und seine Schüler erniedrigen kann. 

Der Film hat eine eigenartige Atmosphäre. Hauptsächlich wurde in schwarz-weißen Cinemascope Bildern gedreht, was ich toll finde, weil ich es mag, wenn ich mir selbst aussuchen darf, wo ich hinschaue. Diese tendenziell chronologisch erzählten Sequenzen werden immer wieder durch Super 8 Aufnahmen aus der Kindheit des Regisseurs unterbrochen. Es handelt sich hierbei, wie er später erklärt, um Träume der depressiven Mutter von einem besseren Leben. 

Mal wieder geht es zwar um die Betrachtung eines Problems, aber ohne dazu eine Sozialstudie zu betreiben. Johannes Hammel, der Filmemacher, erklärt, die Frau sei sich selbst über ihre Krankheit nicht im Klaren und deswegen seien wir als Publikum das ebenfalls nicht. Ich muss sagen, wenn Unklarheit im Publikum das Ziel war, dann hat Herr Hammel einen ausgezeichneten Film gemacht. In seiner unsicheren Sprache und seinem hutzelhaften Auftreten erkenne ich den fragmentarischen Charakter des Filmes wieder. 

Fazit: Anstrengend, aber irgendwie auch anrührend. Als die Protagonistin ihren Ehemann fragt, ob er sie liebe und er entgegnet „Darüber muss ich erst mal nachdenken“ muss ich schlucken. Ihre Isolation und Einsamkeit kommen mir unangenehm bekannt vor. Letztendlich, trotz aller verwirrenden Elemente, hat Johannes Hammel hier einen authentischen Film gemacht. Finde ich.
Aber vielleicht hab ich ihn auch nur nicht richtig verstanden.




Freitag, 11. Februar 2011

Tomboy

© Alamode/ Regie: Céline Sciamma
„Als Tomboy (deutsch: der [weibliche] Wildfang, die wilde Hummel, die (selten: der) [weibliche] Range) werden Mädchen bezeichnet, die sich entsprechend der gängigen Geschlechterrollen von Jungen verhalten.“ (Wikipedia)

Hier wird für meinen Geschmack etwas zu kompliziert ausgedrückt, was der Film von Céline Sciamma weitaus verständlicher und deutlich unterhaltsamer darstellt: ein kleines Mädchen, das gerne ein Junge wäre. Laure wäre gerne Mikael und deshalb nutzt sie den familiären Umzug, um sich in der Nachbarschaft eine neue Identität aufzubauen. Die kleinen Hürden des Alltags meistert sie gekonnt: Beim Baden mit den anderen Kindern steckt sie sich eine Knetwurst in die selbst geschneiderte Badehose. Nur Laures Mutter ist von den Transgender-Allüren ihrer Tochter wenig begeistert und so muss Mikael die Männlichkeit an seinen neu geborenen Bruder abtreten und wieder zum Mädchen werden. 

Ja, die Geschichte des gesamten Films lässt sich in diese wenigen Worte packen. Dass es trotzdem nicht langweilig wird, liegt an den tollen Darstellern. Es ist mir unerklärlich wie Sciamma es schafft, derart überzeugende Darstellungen aus den kleinen Leuten heraus zu kitzeln, während ich mich in deutschen Kinderfilmen oft an Schultheater erinnert fühle. Ein kleiner Wermutstropfen an dieser Stelle ist, dass Mikaels kleine Schwester Jeanne ihm mit ihren komödiantischen Einlagen oftmals die Show stiehlt. 

Der Film plätschert leicht dahin, ohne Filmmusik und nur von authentischem Kinderlachen begleitet. Hier werden keine komplexen Probleme der Geschlechtsidentität gewälzt, keine Sozialstudie betrieben, um Ursachen für Laures Verhalten zu ergründen. Laut Sciamma lässt der Film bewusst offen, ob sich das Mädchen auch in und nach der Pubertät noch als Junge identifizieren wird, oder ob es sich um eine kindliche Spinnerei handelt. 

Eines habe ich dennoch gelernt: Um ein echter Junge zu sein, muss man ohne T-Shirt Fußball spielen und kräftig auf den Boden spucken können!




Dienstag, 8. Februar 2011

Heute am Berlinale Ticket Schalter

Eine Dame mittleren Alters steht vor mir an der Kasse. Da die Schlange heute ausnahmsweise mal nicht so lang ist, dass man als letzter in der Reihe vor den Arkaden noch eine rauchen könnte, bin ich unüblicher Weise relaxt als sich abzeichnet, dass diese Kartenbestellung länger dauern wird. Die Dame mit dem blond gefärbten, etwas wirren Haar wusste nämlich bis vor wenigen Sekunden noch nicht, dass sie heute nur Karten für ganz bestimmte Filme kaufen kann: "Ich hätte gerne Karten für 'Man Chu' am Dienstag." Auch die junge Frau am Schalter ist heute, am zweiten Verkaufstag, noch entgegenkommend: "Sie können für Dienstag noch keine Karten kaufen." "Dann hätte ich gerne Karten für 'Halaw' am Freitag." "Auch für Freitag nicht." "Für Montag?" "Nein!" "Samstag?" "Nein!"
Die irritierte Berlinale-Einsteigerin blättert unkontrolliert und eindeutig planlos in ihrem Katalog. Einmal hin, einmal zurück, dann liest sie quer... Zwischendurch lächelt sie immer ganz freundlich erst die Kassiererin und dann mich an. So unter dem Motto: "Ich bin ja soo aufgeregt. Sie auch?" Und ich lächle zurück, so unter dem Motto: "Ne, aber gleich werd ich richtig stinkig!"
Nach langem Blättern hat sie endlich einen Film gefunden, für den sie heute Karten erwerben kann. "Corolianus am Sonntag, bitte", sagt sie und freut sich wie ein Kleinkind, das zum ersten Mal im Restaurant alleine eine Fanta bestellt hat. Als die Kassiererin gerade anfängt, in ihren PC zu tippen, um die Tickets zu buchen, fragte die Dame: "Aber das ist doch kein Sriller, oder? Wissen Sie, worum es da genau geht? So Sriller, die sind mir immer zu aufregend." Auffordernd lächelt sie erst die Kassiererin und dann mich an.
Ich stelle mich in die andere Schlange.