© Neue Visionen/ Regie: Bernd Böhlich |
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Bis zum Horizont,
dann links! will die Aufmerksamkeit des Kinopublikums auf eine wachsende, aber
medial unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppe lenken: Senioren. Eine sensible
und dennoch komödiantische Herangehensweise an das Thema ist Regisseur Bernd
Böhlich gelungen. So ganz überzeugen vermag das Endprodukt aber leider doch
nicht.
Im Zentrum der Geschichte steht Annegret Simon (Angelica
Domröse), die von ihrem Sohn in das Altersheim „Abendstern“ abgeschoben wird,
als dieser mit seiner Familie in die USA auswandert. Für Annegret ist dies der
Anfang vom Ende - keine neue Phase ihres Lebens, sondern die letzte. Mit ihrer
Frustration ist sie nicht alleine. Auch Eckehardt Tiedgen (Otto Sander) hat es
leid, sich mit unliebsamen Zimmergenossen zu quälen, nach den Regeln der
Heimleitung zu leben und das Leben nur noch als Beobachter zu verfolgen. Bei
einem Rundflug über Brandenburg, den die Seniorengruppe gemeinsam unternimmt,
kapert Eckehardt daher das Flugzeug und zwingt die Piloten Richtung Mittelmeer
abzudrehen.
Es ist Bernd Böhlich hoch anzurechnen, dass er mit seinem
Film auch einem jungen Publikum nahebringen will, was das Leben im Altersheim
für die Bewohner bedeutet. Annegrets Schmerz über diese letzte Lebensstation,
die Einsamkeit der Bewohner, der Verlust der Würde und der Selbstbestimmung
werden dem Zuschauer eindrücklich vor Augen geführt. Leider ist Böhlich in
seiner Darstellung letztendlich doch zu vorsichtig. Die Seniorenresidenz
„Abendstern“ gehört immer noch zu den wohnlichen Ausnahmeeinrichtungen und
spiegelt mit Sicherheit nicht den Alltag der meisten Senioren wider. Zudem
wirken viele der Darsteller – insbesondere Hauptfigur Annegret – deutlich zu
jung für ein Leben im Heim.
Auch an anderen Stellen kann Bis zum Horizont, dann links! nicht
überzeugen. So scheint das Altenheim nur über eine einzige Schwester (Anna
Maria Mühe als Amelie) zu verfügen, was zwar unter Umständen das reale
Betreuungsverhältnis in Pflegeeinrichtungen widerspiegelt, im Rahmen des Films
aber dennoch unglaubwürdig wirkt. Auch die Darstellung der Flugzeugentführung
hätte noch einer Vertiefung der Absurdität bedurft. Dass ein bewaffneter
Rentner eine Propellermaschine kapert, ist an sich ein recht unwahrscheinlicher
Vorfall, dessen glaubwürdige Inszenierung dem Regisseur einiges abverlangt.
Böhlich scheitert leider kläglich an diesem Unternehmen. Einen weiteren
Wermutstropfen stellt die Liebesgeschichte zwischen Amelie und Co-Pilot
Mittwoch (Robert Stablober) dar, die nicht halb so viel Charme besitzt, wie die
vorsichtigen Annäherungen zwischen den Senioren.
Dass Bis zum Horizont, dann links! nicht überzeugen kann,
darf nicht den Darstellern angelastet werden, die – Robert Stadlober
ausgenommen – ihren Figuren gekonnt Leben einhauchen. Die junge Schauspielriege
muss sich vor den Altstars und ihrem Spiel verbeugen, denn während Domröse und
Sander durch ihr Talent beinahe die ihrem Leinwandalter unangemessene
Kostümierung ausgleichen, ergeht sich Robert Stadlober in gnadenlosem
Over-Acting.
Erwähnenswert ist zudem die wirklich schöne Filmmusik, die
das insgesamt ruhige Erzähltempo ausgleicht und den Zuschauer mitreißen kann,
auch wenn sie an einigen Stellen vielleicht einen Tick zu sentimental geraten
ist.
Am Ende stellt sich vor allem die Frage, warum Schauspieler
wie Herbert Köfer und Us Conradi, die sich in einem dem Film angemessenen Alter
befinden, in die Nebenrollen verdrängt werden, während die deutlich zu jung
besetzten Hauptdarsteller ihnen zu Unrecht die Show stehlen. Herbert Feuerstein
ist trotz seiner 75 Jahre auch für den ihm zugedachten Randpart eindeutig zu
agil.
Insgesamt ist Bis zum Horizont, dann links! nicht mutig
genug, sein Thema angemessen zu präsentieren. An dem Thema Alter wird nur
leicht gekratzt, doch statt wahrhaft gebrechlicher Protagonisten werden uns
adrett gekleidete Hauptfiguren präsentiert, denen wir nächtliches Bettnässen
auch mit viel Wohlwollen nicht abnehmen können. Somit beraubt sich der Film
selbst seiner Überzeugungskraft und reduziert das Thema Senioren einmal mehr zu
einem müden Lächeln.
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