© Falcom Media/ Regie: David Cronenberg |
Ein Milliardär fährt in seiner Limousine durch New York,
trifft seine Frau, Geschäftspartner, Berater und beobachtet durch die Fenster
des Wagens die Realität, zu der er keine Verbindung mehr spürt. Nicht viel Stoff
für einen packenden Film. Und doch hat Cosmopolis von David Cronenberg dieses
gewisse Etwas, das uns den Film so schnell nicht aus dem Kopf gehen lässt.
Eric Packer (Robert Pattinson) ist mehr als reich. Gerade
denkt er darüber nach, in seinem New Yorker Appartment einen Schießstand zu
installieren und eine komplette Kapelle, die ihm auf Grund der dortigen Gemälde
gefällt, in seine Behausung umziehen zu lassen. Seine Ehe ist im Eimer, obwohl
die Hochzeit erst wenige Monate her ist. Doch das ist nicht das einzige, das
sein Leben überschattet. Trotz seines bislang untrüglichen Instinkts hat sich
der junge Geschäftsmann verspekuliert. Der Bankrott droht. Und als wäre das
noch nicht genug, ist ihm ein Attentäter auf den Fersen. Doch Eric lässt sich
nicht aus der Ruhe bringen und nimmt eine Tagesreise durch New York in Kauf, um
den Friseur seines Vertrauens aufzusuchen. Das ist Dekadenz.
Einige Kollegen sind der Meinung, Cronenbergs neues Werk sei
mit Dialogen überladen. In der Tat wird Cosmopolis von den Gesprächen der
Charaktere dominiert, die auf einem immensen intellektuellen Niveau stattfinden
und sich eines Duktus bedienen, der sich jenseits unserer Alltagssprache befindet.
Manchmal fühlte ich mich gar an eine dieser modernen Shakespeare-Verfilmungen
erinnert, in denen die Sprache nicht zu den Bildern passen möchte. Hat man sich
jedoch erst einmal von dem Anspruch gelöst, jede Zeile zu verstehen, verschwimmen
die Dialoge zu einem abstrakten Geräuschteppich, in dem nur einzelne Elemente
durch Wiederholung eine Bedeutung erfahren. David Cronenberg hat seinen Film
ganz bewusst um die Originaldialoge von Romanautor Don DeLillo konstruiert und
diese größtenteils wortwörtlich übernommen. Auch wenn die Wortlast hiermit kein
Versehen, sondern künstlerische Absicht darstellt, ging mir das
pseudointellektuelle Gelaber spätestens nach einer halben Stunde ziemlich auf
die Nerven. Nur wenn wir die Dialoge als Werkzeug der Abstraktion begreifen, so
glaube ich, ist hinter ihrer scheinbaren Sinnlosigkeit eine Funktion erkennbar.
Cosmopolis spielt in einem Mikrokosmos: Erics Limousine.
Eine Schallisolierung verhindert, dass die Geräusche der Außenwelt zur
Hauptfigur und uns durchdringen. Die Akustik ist gewöhnungsbedürftig,
verdeutlicht jedoch, wie stark der Protagonist von der Realität getrennt ist.
Seine Welt ist die Abstraktion: Die Zahlen rattern über die Bildschirme der
Limousine und werden trotz ihrer Omnipräsenz meistens ignoriert. Sie sind nicht
mehr länger Zeichen für etwas real Existierendes, sondern nur mehr leere
Symbole, Simulakren. Auch die gestelzte Sprache und die ausufernden Dialoge - bedeutungsschwanger,
doch ohne echten Inhalt - passen in dieses Konzept. Cosmopolis ist eine
Abstraktion, die ihren Ausgangspunkt vergessen hat.
Während sich über die filmische Qualität dieses Konzepts
streiten lässt, so wird doch eines offenbar: Robert Pattinson kann schauspielern.
Es hat mich in hohem Maße überrascht, in seinen regungslosen Gesichtszügen
nicht ein einziges Mal den melancholischen Vampir zu entdecken. Sicher kommt es
ihm entgegen, dass ihm seine Rolle größtenteils Gleichgültigkeit vorschreibt.
Doch auch in den Momenten, in denen sich Eric für einen kurzen Moment aus
seiner emotionalen Erstarrung löst, bleibt Pattinson gleichsam glaubwürdig.
Cosmopolis ist ein gelungener Spiegel unserer Zeit, in der
die Realität immer absurder zu werden scheint. Wie Eric beobachten auch wir die
Welt nur durch Fenster: die Bildschirme unserer TV-Geräte und Computer. Wie er
sehen wir dort politische Protestbewegungen und die fast schon religiöse
Erhebung berühmter Persönlichkeiten, ohne daran wirklich teilzunehmen. Der Tod
eines Superstars rührt uns zu Tränen, während unsere zwischenmenschlichen
Beziehungen durch Distanz gekennzeichnet sind. Obwohl Cosmopolis durch seine
gestelzten Dialoge und die Ästhetik vollkommen artifiziell wirkt, steckt darin
doch eine Menge Wahrhaftigkeit.
Auch wenn wir die bis zu 20 Minuten andauernden Dialogszenen
als Stilmittel begreifen, sind gewisse Längen in Cosmopolis nicht von der Hand
zu weisen. Es hätte an einigen Stellen einer Raffung bedurft,
um die Handlung insgesamt dynamischer zu gestalten. Einen Spannungsbogen sucht
man hier ebenso vergebens wie einen zur Identifikation einladenden Charakter.
Die Figuren sind zu undurchschaubar, um ihre Gefühlswelt zu ermessen oder gar
nachzuvollziehen.
Trotz allem bleibt Cosmopolis in meinen Augen ein
beachtlicher, wenn auch absonderlicher Film, den zu verstehen von vornherein
der falsche Ansatz ist. Cosmopolis will nicht dekodiert werden, denn es ist ja
gerade die Aussage dieses Werks, dass hinter all den Worten und Zeichen kein
tieferer Sinn mehr zu finden ist.
KINOSTART 05. Juli 2012
Pressespiegel bei film-zeit.de
KINOSTART 05. Juli 2012
Pressespiegel bei film-zeit.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen