© Constantin Film/ Regie: Bora Dagtekin |
Nach der Pressevorführung zu Türkisch für Anfänger sitze ich
in der Berliner U-Bahn und beobachte eine türkische Familie. Insbesondere der
jüngste Spross erwidert mein Interesse, zeigt unentwegt auf mich und redet wie
ein Wasserfall in einer für mich vollkommen unverständlichen Sprache. Die
Kopftuch tragende Mutter schaut mich besorgt an, ich beruhige sie mit einem
Lächeln, dass mir die Aufmerksamkeit des Kleinen nicht unangenehm sei. Offenbar
beherrscht sie kein Wort Deutsch, denn während wir noch zehn Minuten gemeinsame
Fahrt teilen, lächelt sie mich zwar wiederholt an, sagt aber kein Wort. Das ist
das wahrhaftige Türkisch für Anfänger.
Ich habe die TV-Serie auf der dieser Film basiert, niemals
gesehen. Somit repräsentiere ich den Zuschauer, für den Türkisch für Anfänger
kein Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren, sondern ein Kinofilm ist, der
für sich alleine stehen muss. Da sich Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin
dafür entschieden hat, die Geschichte noch einmal ganz neu aufzurollen, zu
„rebooten“ wie man heutzutage sagt, ist kein Vorwissen über die Figuren von
Nöten, um der Geschichte zu folgen. Lena (Josefine Preuß) und ihre Mutter Doris
(Anna Stieblich) unternehmen eine gemeinsame Reise nach Thailand. Schon auf dem
Weg zum Flughafen begegnen sie dem türkischen Familienvater Metin (Adnan
Maral), seinem Sohn Cem (Elyas M’Barek) und der Tochter Yagmur (Pegah
Ferydoni). Das Aufeinandertreffen der beiden Familien ist nicht von Sympathie
geprägt und so ist es insbesondere für Lena ein Alptraum, dass sie nach dem
Absturz des gemeinsamen Fliegers ausgerechnet mit Cem und Yagmur auf einer
einsamen Insel landet. Während sich Doris und Metin nach ihrer Rettung in einem
Hotel näher kommen, müssen ihre Kinder gemeinsam mit dem Griechen Costa (Arnel
Taci) zahlreiche Abenteuer überstehen, zu denen auch ein Aufeinandertreffen mit
einheimischen Kannibalen gehört.
Bora Dagtekin hat die Figuren schon während ihrer
TV-Karriere als Autor begleitet und seine Vertrautheit mit ihren Eigenheiten
ist spürbar. Auch wenn Türkisch für Anfänger im Grunde eine leichtfüßige,
zuweilen gar platte Slapstick-Komödie ist, überzeugen die Charaktere auf ganzer
Linie. Insbesondere Doris, die sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden
Mitteln gegen das Älterwerden sträubt und gerne mit ihrer Tochter auf Lady Gaga
Konzerte geht, hat trotz all der Übertreibungen einen realistischen Kern, der sie für den Zuschauer sympathisch macht. Und
so verhält es sich mit dem gesamten Ensemble, auch wenn die exzentrisch
dargestellte Lena definitiv das Potential zur Nervensäge hat. Hier wird ganz klar mit
Stereotypen gearbeitet, doch zumindest geschieht das so gekonnt, dass wir uns als
Zuschauer dabei amüsieren und nicht gelangweilt mit den Augen rollen. Allein,
dass Elyas M’Barek nach What a Man und Offroad nun im Grunde schon wieder
dieselbe Rolle spielt, ist etwas eintönig.
Ich habe mir aber nach dem Film die Frage gestellt, ob es
hier wirklich eine Rolle spielt, dass es sich um eine türkische Familie
handelt, oder ob ein Großteil der Spannungen und Konflikte nicht einfach nur
der Tatsache entspringen, dass hier zwei unterschiedliche Familienmodelle
aufeinandertreffen. Mich persönlich, die ich ja selbst im Integrationsbereich
tätig bin, überzeugt diese angebliche Multi-Kulti-Darstellung nicht. Dagtekin
hat nach eigener Aussage bewusst eine stark komödiantische Herangehensweise an das Integrationsthema
gewählt, um einmal mit Humor zu betrachten, was sonst nur Stoff für Melodramen
liefere. Das Lachen jedoch erschafft in meinen Augen eine große Distanz
zwischen uns und den Protagonisten, so dass das Thema Integration nicht mit
Humor beleuchtet wird, sondern vollkommen in den Hintergrund tritt.
Doch diese kritische Herangehensweise ist definitiv die
Falsche für einen Film wie Türkisch für Anfänger, der sein Publikum in erster
Linie unterhalten will. Das Wälzen gesellschaftlicher Probleme oder die
Glaubwürdigkeit der Ereignisse spielen innerhalb dieses Konzeptes eine untergeordnete
Rolle. Und das ist in meinen Augen auch vollkommen in Ordnung. Letzten Endes
ist Komik natürlich Geschmackssache und es gehört eine gewisse Offenheit für
vulgäre und politisch unkorrekte Anspielungen dazu, um bei Türkisch für
Anfänger herzhaft lachen zu können. Der aufmerksame Zuschauer wird aber hinter
all den platten Witzeleien auch die eine oder andere kritische Spitze
entdecken, z.B. meine absolute Lieblingsformulierung „drei Migranten mit einem
deutschen Pass“.
Für Fans der Serie ist die Kinoversion, die mit dem
Cinemascope-Format und dem vor Ort Dreh in Thailand durchaus cineastisch
daherkommt, sicher ein Fest. Für Zuschauer wie mich, die mit dem Film nicht
mehr verbinden als maximal die eigene Lebensrealität im Berliner Wedding, ist Türkisch
für Anfänger eine unterhaltsame, aber recht durchschnittliche Komödie.
Übrigens: Gemeinsam mit MyVideo ruft Constantin Film zu einem Rap-Kontext auf, bei dem es darum geht, sich eine neue Strophe zu Cems angeblichem Nummer 1 Hit "Nutten am Pool" einfallen zu lassen. Das dazugehörige Musikstück und weitere Infos findet ihr hier.
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