Dienstag, 19. Juni 2012

Bis zum Horizon, dann links!


© Neue Visionen/ Regie: Bernd Böhlich
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Bis zum Horizont, dann links! will die Aufmerksamkeit des Kinopublikums auf eine wachsende, aber medial unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppe lenken: Senioren. Eine sensible und dennoch komödiantische Herangehensweise an das Thema ist Regisseur Bernd Böhlich gelungen. So ganz überzeugen vermag das Endprodukt aber leider doch nicht.

Im Zentrum der Geschichte steht Annegret Simon (Angelica Domröse), die von ihrem Sohn in das Altersheim „Abendstern“ abgeschoben wird, als dieser mit seiner Familie in die USA auswandert. Für Annegret ist dies der Anfang vom Ende - keine neue Phase ihres Lebens, sondern die letzte. Mit ihrer Frustration ist sie nicht alleine. Auch Eckehardt Tiedgen (Otto Sander) hat es leid, sich mit unliebsamen Zimmergenossen zu quälen, nach den Regeln der Heimleitung zu leben und das Leben nur noch als Beobachter zu verfolgen. Bei einem Rundflug über Brandenburg, den die Seniorengruppe gemeinsam unternimmt, kapert Eckehardt daher das Flugzeug und zwingt die Piloten Richtung Mittelmeer abzudrehen.

Es ist Bernd Böhlich hoch anzurechnen, dass er mit seinem Film auch einem jungen Publikum nahebringen will, was das Leben im Altersheim für die Bewohner bedeutet. Annegrets Schmerz über diese letzte Lebensstation, die Einsamkeit der Bewohner, der Verlust der Würde und der Selbstbestimmung werden dem Zuschauer eindrücklich vor Augen geführt. Leider ist Böhlich in seiner Darstellung letztendlich doch zu vorsichtig. Die Seniorenresidenz „Abendstern“ gehört immer noch zu den wohnlichen Ausnahmeeinrichtungen und spiegelt mit Sicherheit nicht den Alltag der meisten Senioren wider. Zudem wirken viele der Darsteller – insbesondere Hauptfigur Annegret – deutlich zu jung für ein Leben im Heim.

Auch an anderen Stellen kann Bis zum Horizont, dann links! nicht überzeugen. So scheint das Altenheim nur über eine einzige Schwester (Anna Maria Mühe als Amelie) zu verfügen, was zwar unter Umständen das reale Betreuungsverhältnis in Pflegeeinrichtungen widerspiegelt, im Rahmen des Films aber dennoch unglaubwürdig wirkt. Auch die Darstellung der Flugzeugentführung hätte noch einer Vertiefung der Absurdität bedurft. Dass ein bewaffneter Rentner eine Propellermaschine kapert, ist an sich ein recht unwahrscheinlicher Vorfall, dessen glaubwürdige Inszenierung dem Regisseur einiges abverlangt. Böhlich scheitert leider kläglich an diesem Unternehmen. Einen weiteren Wermutstropfen stellt die Liebesgeschichte zwischen Amelie und Co-Pilot Mittwoch (Robert Stablober) dar, die nicht halb so viel Charme besitzt, wie die vorsichtigen Annäherungen zwischen den Senioren.

Dass Bis zum Horizont, dann links! nicht überzeugen kann, darf nicht den Darstellern angelastet werden, die – Robert Stadlober ausgenommen – ihren Figuren gekonnt Leben einhauchen. Die junge Schauspielriege muss sich vor den Altstars und ihrem Spiel verbeugen, denn während Domröse und Sander durch ihr Talent beinahe die ihrem Leinwandalter unangemessene Kostümierung ausgleichen, ergeht sich Robert Stadlober in gnadenlosem Over-Acting.

Erwähnenswert ist zudem die wirklich schöne Filmmusik, die das insgesamt ruhige Erzähltempo ausgleicht und den Zuschauer mitreißen kann, auch wenn sie an einigen Stellen vielleicht einen Tick zu sentimental geraten ist.

Am Ende stellt sich vor allem die Frage, warum Schauspieler wie Herbert Köfer und Us Conradi, die sich in einem dem Film angemessenen Alter befinden, in die Nebenrollen verdrängt werden, während die deutlich zu jung besetzten Hauptdarsteller ihnen zu Unrecht die Show stehlen. Herbert Feuerstein ist trotz seiner 75 Jahre auch für den ihm zugedachten Randpart eindeutig zu agil.

Insgesamt ist Bis zum Horizont, dann links! nicht mutig genug, sein Thema angemessen zu präsentieren. An dem Thema Alter wird nur leicht gekratzt, doch statt wahrhaft gebrechlicher Protagonisten werden uns adrett gekleidete Hauptfiguren präsentiert, denen wir nächtliches Bettnässen auch mit viel Wohlwollen nicht abnehmen können. Somit beraubt sich der Film selbst seiner Überzeugungskraft und reduziert das Thema Senioren einmal mehr zu einem müden Lächeln. 

KINOSTART: 12. Juli 2012

Pressespiegel bei film-zeit.de


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