Mittwoch, 11. April 2012

Chronicle - Wozu bist Du fähig?


© 20th Century Fox/ Regie: Josh Trank
Superhelden haben in den letzten Jahren ein echtes Comeback erlebt. Meist handelt es sich allerdings um durchtrainierte Schönlinge, die einem Comic-Universum entflogen sind. In Chronicle ist das ein bisschen anders, denn hier erlangen drei vollkommen normale Teenager überraschend übernatürliche Kräfte. 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der sozial isolierte Andrew (Dane DeHaan). Der Vater trinkt, die Mutter ist todkrank, die Mitschüler mobben ihn und auch sein Cousin Matt (Alex Russel) verhält sich eher distanziert. Doch Andrews Leben ändert sich, als er beschließt, seinen Alltag mit einer Kamera aufzunehmen. Neben Aggressionen ruft dieses neue Hobby auch Interesse bei seinem Umfeld hervor und so kommt es, dass Matt und dessen Kumpel Steve (Michael B. Jordan) den Nachwuchsfilmer in ein Geheimnis einweihen: Im Wald haben sie ein mysteriöses Loch gefunden, das sie nun erkunden und für die Nachwelt festhalten wollen. Das was sie entdecken sprengt ihre Vorstellungskraft. Plötzlich verfügen die drei Jungs über telekinetische Kräfte, die von Tag zu Tag stärker zu werden scheinen. Das gemeinsame Erlebnis schweißt sie zusammen und erstmals glaubt Andrew, so etwas wie echte Freunde zu haben. Doch wie schon Spidermans Onkel feststellte: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Kann der labile Andrew wirklich mit seinen neuen Fähigkeiten umgehen oder wird er die Kontrolle verlieren und sich und seine Freunde in Gefahr bringen?

Chronicle ist eigentlich gar kein Superheldenfilm, sondern eine Mischung aus einem Coming of Age Drama und dem Psychogramm eines potentiellen Highschool-Amokläufers. Im Zentrum stehen nicht die Superkräfte, sondern Andrews Persönlichkeitsentwicklung. Hierbei bedienen sich Regisseur Josh Trank und Drehbuchautor Max Landis meiner Ansicht nach zu vieler Klischees. Die aggressive Vaterfigur, die das Selbstwertgefühl des eigenen Kindes zerstört, und die schwache Mutter, die beschützt werden muss – plakative Elemente, die Andrews Sinneswandel erklären und rechtfertigen sollen, unterm Strich aber wie ein Kapitel aus dem Lehrbuch für pädagogische Psychologie wirken. So können wir uns emotional trotz der lobenswerten Schauspielleistung von Hauptdarsteller Dane DeHaan nie ganz auf die Gefühlswelt von Andrew einlassen. 

Dramaturgisch legt Chronicle einen guten Start hin, kommt schnell zur Sache und fesselt unsere Aufmerksamkeit innerhalb kürzester Zeit. In Erwartung eines actionlastigeren Superheldenfilms jedoch muss irgendwann eine kurze Phase der Ernüchterung eintreten, in der wir erkennen, dass es hier eher dramatisch als explosiv zugeht. Immerhin entschädigt dann das fulminante Ende für die in der Mitte etwas langatmige Handlung. Im Großen und Ganzen macht Chronicle seine Sache gut und weiß das Publikum zu unterhalten. Da auf pathetische Dehnungen verzichtet wird, kann der Film mit 84 Minuten eine wahrlich perfekte Länge vorweisen.

Stilistisch ist da nicht viel Neues. Die Found Footage Ästhetik ist gerade „in“. Doch Chronicle treibt diesen Trend noch etwas weiter und legt eine erstaunliche Konsequenz an den Tag, wenn es darum geht, ausschließlich Bilder zu zeigen, die von verschiedenen Kameras aufgezeichnet werden. Nicht immer ist das überzeugend, manchmal ist die Integration der Geräte in den Handlungsablauf sehr erzwungen, doch gerade gen Ende kann Josh Trank uns mit Hilfe dieses Stilmittels auch ein wenig Ehrfurcht vor der Omnipräsenz wachsamer Kameralinsen einflößen. Durch Andrews Fähigkeit, die Kamera durch Telekinese fliegen zulassen, kann die Kameraführung über die gewohnten, wackligen Found Footage Bilder hinausgehen und wirkt stellenweise gar wie eine Steadicam. 

Chronicle erzählt eine etwas andere Superheldengeschichte, ist dabei aber leider nicht wirklich originell. Auch Spiderman & Co mussten sich auf der Leinwand schon mit ihrer dunklen Seite auseinandersetzen. Herausstechen tut der Film durch seine drei Hauptcharaktere, außergewöhnliche Underdogs, die uns mit ihrem tapsigen Umgang mit den Superkräften einige Lacher entlocken. Wenn wir von der missglückten Sozialstudie einmal absehen, lässt sich Chronicle insgesamt als durchaus gelungenes Unterhaltungskino bezeichnen. Nicht mehr und nicht weniger. 



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