Montag, 2. April 2012

Nathalie küsst

© Concorde/ Regie: David & Stéphane Foenkinos
Wenn Audrey Tautou auf der Leinwand ein französisches Café betritt, kann ich nicht umhin, an Die fabelhafte Welt der Amelie zu denken. Diese erste Szene von Nathalie küsst bleibt jedoch nicht die einzige, in der ich statt Nathalie die Figur der Amelie auf der Leinwand sehe. Zerbrechlich, aber doch voller Grazie, irgendwie geheimnisvoll und unnahbar, dann wieder kindlich verspielt oder gar verschmitzt – so präsentiert sich Audrey Tautou hier einmal mehr dem Kinopublikum.

Sie spielt Nathalie, die als junge Frau mit Francois (Pio Marmai) einen fast perfekten Mann ehelicht. Märchenhaft wirkt diese Liebe, ein wenig zu perfekt, um von Bestand zu sein. Und so überrascht es uns als Zuschauer nicht wirklich, als die Verbindung der beiden durch einen Unfall ein jähes Ende findet. In tiefer Trauer stürzt sich Nathalie in die Arbeit und steigt beruflich auf. Doch glücklich ist sie nicht. Vielmehr scheint das wahre Leben an ihr vorbeizugehen. Das ändert sich erst als sie aus einem unbewussten Impuls heraus einen ihrer Kollegen küsst. Spontan, ohne Vorankündigung und für Markus (Francois Damiens) ebenso überraschend wie für uns. Auch ihr berufliches wie soziales Umfeld kann die wunderschöne Nathalie und den optisch nicht besonders ansprechenden Markus nur schwerlich zusammenbringen. Nathalie selbst weiß nicht wie ihr geschieht. Warum hat sie das getan? Fühlt sie sich wirklich zu Markus hingezogen? Ist sie bereit für eine neue Liebe? 

Basierend auf seinem gleichnamigen Roman erzählt David Foenkinos hier gemeinsam mit seinem Bruder Stéphane die Geschichte einer ganz besonderen Liebe. Mit dem Set-Design und den Kostümen haben sich die beiden besonders große Mühe geben. Insbesondere die Büroräume, in denen ein großer Teil der Handlung spielt, transportieren mit ihren Holztäfelungen und ihrem etwas antiquierten Flair eine besondere Stimmung: warm und doch unpersönlich. Hierin spiegelt sich auch die Verfassung der Hauptfigur wider, die auf der einen Seite als sehr empfindsam, gleichzeitig aber als in sich gekehrt und distanziert inszeniert wird. 

Die Figur des Markus ist der Träger des humoristischen Anteils des Konzepts. Er wirkt tölpelhaft und unbedarft, aber nicht peinlich oder verschroben. Stattdessen strahlt er von Beginn an eine Herzlichkeit aus, die die meisten Menschen in seinem Umfeld nicht wahrzunehmen scheinen. Francois Damiens gelingt es, diese vielschichtige Persönlichkeit glaubhaft darzustellen und uns mit seiner Mimik und Gestik immer wieder zum Lachen zu bringen. Audrey Tautou bleibt als Nathalie jedoch schwer zu greifen. Den Großteil des Films ist sie auf Grund ihres Verlusts so verschlossen, dass es auch dem Zuschauer schwer fällt, zu ihr eine Verbindung aufzubauen. So dauert es eine Weile, bis wir an ihrer emotionalen Welt teilhaben können. Dabei ist es besonders interessant, dass die märchenhafte Liebe zu Beginn des Films weniger zu berühren weiß, als die zaghafte und verworrene Beziehung, die sich zwischen Nathalie und Markus entwickelt. 

Das Hauptproblem des Films ist die Dramaturgie. Lange Zeit ist unklar, worauf die Geschichte hinausläuft und was ihr Thema ist. Das liegt vor allem daran, dass Markus erst sehr spät in die Geschichte eingeführt wird. Zwar gelingt hierdurch ein großer Überraschungseffekt,  der jedoch auf Kosten des Spannungsbogens geht. Mit der aufkeimenden Büro-Lovestory zieht das Tempo des Films ein wenig an, verliert gegen Ende jedoch erneut an Zugkraft. Nichtsdestotrotz finden die Foenkinos-Brüder einen sehr gelungenen Abschluss des Films, der die verschiedenen Elemente des Films zu einem großen Ganzen zu verbinden weiß. 

Ein weiterer Wermutstropfen ist schließlich auch die idealisierende Inszenierung von Audrey Tautou. Der Film will uns weiß machen, dass die Verbindung zwischen einer derart atemberaubenden Frau und einem hässlichen Entlein wie Markus auf ihre Mitmenschen befremdlich und absurd wirken muss. Dabei ist Tautou hier wie gewohnt weniger eine Diva als eine zarte Kindfrau, die gehegt, gepflegt und beschützt werden muss. So richtig kann zumindest ich daher den angeblichen Gegensatz zwischen den Figuren nicht nachvollziehen. 

Nathalie küsst ist sicher ein Projekt, in dem viel Herzblut und übrigens auch ein wirklich schöner Soundtrack steckt. Doch das Endprodukt kann meiner Meinung nach dem Anspruch seiner Schöpfer nicht gerecht werden und bleibt eine zwar charmante, letztendlich aber spannungsarme französische Tragikomödie mit einer Audrey Tautou, wie wir sie schon gefühlte hundertmal gesehen haben. 


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