Montag, 23. April 2012

UFO IN HER EYES


© Pandora Films/ Regie: Xiaolu Guo
 Science Fiction, Märchen, Fabel, Satire – irgendwie ist UFO IN HER EYES von allem ein bisschen. Basierend auf ihrem gleichnamigen Roman erzählt die Autorin und Filmemacherin Xiaolu Guo hier die Geschichte eines kleinen chinesischen Dorfes, in das der Fortschritt Einzug hält und das Leben der Bewohner auf den Kopf stellt. Alles beginnt damit, dass die Arbeiterin Kwok Yun (Shi Ke) ihrer Ortsvorsteherin (Mandy Zhang) von einer angeblichen UFO-Sichtung und der Rettung eines mysteriösen Fremden berichtet. Dieser von Udo Kier verkörperte Fremde entpuppt sich als reicher amerikanischer Geschäftsmann, der seiner Dankbarkeit durch eine großzügige Spende Ausdruck verleiht. Die patente Vorsteherin ergreift die Gelegenheit, ihr kleines Dorf in eine Metropole zu verwandeln. Die Schreibmaschine wird durch einen Laptop ersetzt, ein Vergnügungspark geplant und Wolkenkratzer errichtet. Doch bei all dieser Euphorie über den Einzug des westlichen Luxus bleiben die meisten Bürger auf der Strecke. Allen voran Kwok Yun, die die Aggressionen der Modernisierungsverlierer am eigenen Körper zu spüren bekommt. 

Xiaolu Guo zeigt uns ein China, wie wir es selten sehen. Ein China, das den Einfluss der amerikanischen Kultur nicht nur begrüßt, sondern herbeisehnt. Ein China, das mit tosendem Applaus den Einzug des Kapitalismus feiert. Obwohl UFO IN HER EYES durch seine Übertreibungen und ironischen Spitzen keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass es sich hier nicht um eine wahrheitsgetreue Abbildung der Realität handelt, ist die kritische Stimme der Autorin doch deutlich zu vernehmen. In ihren Bestrebungen, in die Zukunft aufzubrechen, lassen die Menschen ihre Tradition und damit auch ihre Identität zurück, was zwangsläufig in absurdem Chaos und gar Gewalt endet. 

Auch ästhetisch vereint UFO IN HER EYES verschiedene Elemente. Fantastische Bildwelten und die Übernahme der Perspektive der Tiere – Schweine, Gänse und Fasane – haben hier ebenso Platz wie das Spiel mit Farbe und Form. So sehen wir die Welt aus den Augen eines ermittelnden Polizisten in nüchternem schwarz-weiß, während Kwok Yuns Erinnerung an den geheimnisvollen Tag der UFO-Sichtung in bunten Farben erstrahlt. Xiaolu Guo inszeniert ihre Geschichte gekonnt ambivalent zwischen Märchen und Satire und lässt den Zuschauer bis zum Ende über die Art ihrer Erzählung im Unklaren. 

Die absurden Ereignisse, die sich in Folge der Geldspende in dem kleinen Ort abspielen, sorgen beim Zuschauer nicht nur für in Skepsis erhobene Augenbrauen, sondern ebenso für amüsiertes Schmunzeln. Manche Details bleiben jedoch fragwürdig. Allen voran die Tatsache, dass ausgerechnet Udo Kier mit unüberhörbar deutschem Akzent die amerikanische Kultur verkörpert. Auch wirkt die Darstellung der Modernisierung des Dorfes stellenweise zu plakativ und wenig originell. Gerade das Aufkommen von Presserummel und Tourismus erinnert stark an den ähnlich ausgerichteten Film Live aus Peepli – Irgendwo in Indien. Vielleicht ist es diesem Mangel Originalität geschuldet, dass die Dramaturgie die Geschichte nicht ganz zu tragen vermag. Zwar wird der Handlung durch eine angedeutete Kapitelaufteilung Struktur verliehen, doch entsteht insgesamt zu wenig Spannung und Emotion, um den Zuschauer anhaltend an die Figuren auf der Leinwand zu binden. 

Xiaolu Guo kritisiert den Kapitalismus ebenso wie den Kommunismus, blinden Fortschrittsglauben ebenso wie den nostalgischen Blick zurück, ohne eine realistische Alternative anzubieten. Doch es ist genau diese Ambivalenz ihres Werks, die es letztendlich möglich macht, über die eigene Verortung innerhalb dieser verrückten Welt – ob nun in China, Indien oder Europa – nachzusinnen.

Pressespiegel bei film-zeit.de

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