Mittwoch, 17. Februar 2010

Besouro

© Cult Movie Entertainment/ Regie: João Daniel Tikhomiroff
Während des Vorspanns zu diesem brasilianischen Panorama-Film kommt auf Grund der nicht enden wollenden Anzeige verschiedener Geldgeber ein ironischer Spontanapplaus auf. Nach dem Film ist der Applaus deutlich verhaltener. Aber so schlecht war er eigentlich gar nicht.

„Besouro“ versucht brasilianisch zu sein, indem die synkretistische, afrobrasilianische Kultur in einen genreübergreifenden Film übersetzt wird, in dem sich Kampfkunst und Fantasy mischen. Allerdings wirkt das auf mich weniger brasilianisch, als asiatisch. Dieser Eindruck bestätigt sich später, als der Regisseur erzählt, er habe für die Capoeira-Choreographien eigens Martial-Arts-Profis aus China eingeflogen! Die hätten zwar nur Mandarin gesprochen, aber die Kommunikation mit Händen und Füßen hätte sehr gut funktioniert und würde darüber hinaus ja auch gut zum Thema des Films, Capoeira, passen.

Zusätzlich zum starken östlichen Einfluss ist ein deutlicher nordamerikanischer Einfluss zu spüren. Während die Sklaven in weißen Gewändern ihren Tanzriten nachgehen, werden sie immer wieder von bösen spanischen Cowboys mit schwarzen Hüten gestört. Die Sexualisierung des schwarzen Körpers setzt spätestens ab der Hälfte des Films ein, wenn der Hauptdarsteller nur noch oben ohne und ordentlich eingeölt auftritt. Unnötig zu sagen, dass der Regisseur selbst weder afrobrasilianisch, noch indigen ist, sondern ein weißer Hispanier mit schwarzem Cowboyhut.

Der Auftritt diverser Götter aus dem Candomblé Kult im Film stößt beim Publikum auf Unverständnis und ich fühle mich total prädestiniert, dass ich auf Grund meines abgeschlossenen (!) Lateinamerikanistikstudiums weiß, mit wem oder was ich es da zu tun habe. Deswegen kann ich den Part der Geschichte, der in Richtung Fantasykino geht, sehr genießen. Von den Capoeira-Performances bin ich eher enttäuscht. Der Einfluss der chinesischen Berater ist deutlich zu spüren. Darüber hinaus wird die traditionelle Capoeira-Musik an vielen Stellen leider „verrockt“.

Als der Regisseur am Ende zur Q&A die Bühne betritt, wundert mich das alles nicht mehr. Er berichtet, bisher nur in der Werbung gearbeitet zu haben und seine gesamte Präsenz erinnert mich sehr an den Protagonisten aus „Father of Invention“. Sein Redeschwall nimmt keine Rücksicht auf die glücklicher Weise immens begabte Übersetzerin, die seine minutenlangen englischen Ausführungen ins „brasilianische“ (wie der Moderator sagt) übersetzt, damit auch der Rest des Filmteams verstehen kann, worum es geht. Hauptdarstellerin und Hauptdarsteller, natürlich der afrobrasilianischen Ethnie zugehörig - darf man Ethnie sagen? Was soll ich sonst sagen? Neger? Ich hasse diesen Zwang zur political correctness! Wie soll ich die denn nun nennen? Also nochmal: Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin, natürlich maximal-pigmentiert, lächeln stets höflich, wirken sehr sympathisch, sind aber unterm Strich nur Beiwerk eines Produktes, das der Regisseur so komponiert hat, dass es zwar nicht brasilianisch, aber doch weltweit vermarktbar ist. Und mit Vermarktung kennt der Mann sich ja offensichtlich aus.

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