Dienstag, 16. Februar 2010

Parade

© Bees Factory Entertainment/ Regie: Isao Yukisada

Eigentlich hatte ich gar keine Lust ins Kino zu gehen. Ich war körperlich total erschöpft, hatte Rückenschmerzen und eigentlich war es um viertel vor 10 viel zu spät, um überhaupt noch mal aus dem Haus zu gehen. Aber es hat sich gelohnt.
Zum Glück gab es heute nicht nur einen gut vorbereiteten Moderator, sondern auch eine qualifizierte Übersetzerin, denn der Regisseur – obwohl zum zweiten Mal mit einem Film bei der Berlinale dabei – sprach kein Wort Englisch. Während des Eingangsgesprächs und der Q&A kam ich mir ein bisschen „Lost in Translation“ vor, weil die englische Version einer Frage bzw. Antwort immer nur ein Drittel so lang war wie die japanische Übersetzung. In Kombination mit dem Regisseur, der nach seinem Outfit zu urteilen auch direkt aus der Matrix hätte kommen können, hatte allein das Rahmenprogramm schon Unterhaltungswert.

Der Film war anstrengend, aber gut. Die Handlung spielt sich größtenteils in der Wohnküche eines sehr kleinen Apartments ab, das sich vier – später fünf – junge Leute miteinander teilen. Das Tempo des Films ist sehr langsam, es gibt kaum Filmmusik. Für die Gespräche der Leute untereinander wird sich viel Zeit und Ruhe genommen. Das ist manchmal irritierend bis hin zu schwer zu ertragen, lenkt aber die Aufmerksamkeit unweigerlich auf die emotional unterkühlte Stimmung zwischen Leuten, die auf unheimlich engem Raum zusammenleben. Ein Paradox?

Aus meiner eigenen WG-Erfahrung weiß ich, dass man nur weil man zufällig in derselben Wohnung wohnt noch lange nicht befreundet sein muss. Bei den fünf Figuren in diesem Film ist es aber noch extremer. Obwohl sie sich, bis auf einen Mann, gegenseitig von ihren Problemen erzählen, entsteht keine Nähe. Die WG wird mit einem Chatroom verglichen, in dem man kommen und gehen kann, etwas von sich preisgeben kann, aber es nicht klar ist, wie viel virtuelle und wie viel reale Identität von einem Menschen dort präsentiert wird. Daraus wiederum wird die Frage nach der Unterscheidbarkeit von Virtualität und Realität an sich abgeleitet. „Wir kennen alle einen anderen Saturo!“ sagt einer der Mitbewohner über den zuletzt dazu Gestoßenen. Und genauso ist es im wahren Leben auch, denke ich mir und schaue misstrauisch zu meinem Freund hinüber, der wiederum misstrauisch zu mir herüberschaut.

Die Message des Films ist zu dicht, um sie hier genauer wiederzugeben. Am Ende jedoch nimmt die Geschichte noch einmal eine dramatische Wendung, die mich sehr an „American Psycho“ erinnert hat. Was, wenn Du ein Serienmörder bist, und niemanden interessiert‘s? Ist das nicht die Krönung der Einsamkeit?
Auf dem Weg nach Hause bin ich zu müde, um mir Notizen zu machen. Trotzdem habe ich den Film heute Morgen noch klar vor Augen. Ein gutes Zeichen.

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