Freitag, 18. Februar 2011

Jess and Moss

© Strand Releasing
Regie: Clay Jeter

Keine Ahnung, nach welchem Prinzip die Berlinale-Kategorie "Generation" ihre Untertitelung vornimmt. Ich habe dieses Jahr drei Kinderfilme gesehen und mit allen wurde unterschiedlich verfahren. Einmal Originalfassung plus englische Untertitel und deutsches Voiceover. Einmal Originalfassung mit deutschen und englischen Untertiteln gleichzeitig. Und ausgerechnet gestern, als meine Mutter mich mal wieder begleitete, keine Untertitel. Vermutlich hat sie nur etwa 10% der Gespräche verstanden. Ein Glück, dass "Jess und Moss" auch ohne Sprache ganz gut funktioniert.

Es gibt sie doch, die guten US-amerikanischne Independentfilme. Was "Jess und Moss" nun aber mehr zum Kinderfilm macht als beispielsweise "Tomboy" erschließt sich mir nicht ganz. Denn die Geschichte um zwei Kinder aus Kentucky kann keinen Spannungsbogen, keine Action oder irgendetwas sonst vorweisen, dass junge Menschen interessieren könnte.

Dafür kann der Film Charakteristika vorweisen, die man in fortgeschrittenem Alter zu schätzen weiß: Großartige Charakterzeichungen; eine tolle Kameraführung, die die Natur in wunderschönen Bildern auf eine Weise einfängt, dass sie eins wird mit der Handlung des Films; eine gut durchdachte Arbeit mit verschiedenen Filmmaterialien, die die Bilder in immer neuer Qualität erstrahlen lässt - mal glasklar, mal krisslig, so wie die Erinnerung eben ist; eine dezente, aber berührende Filmmusik.

Die Handlung, wenn man sie denn so nennen mag, dreht sich um 2 Kinder recht unterschiedlichen Alters, Jess und Moss, die im ländlichen Kentucky leben. Gezeigt werden ihre gemeinsamen Streifzüge durch die Natur, ihre Gespräche und Spiele in einem heruntergekommenen Haus, bei dem es sich um das Originalhaus der verstorbenen Großmutter des Regisseurs handelt. Moss versucht verzweifelt, sich an seine Eltern zu erinnern, die laut Jess bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen. Jess wiederum wartet seit Jahren vergeblich auf ihre Mutter, die einst sie und den Vater mit dem Versprechen verließ, die Tochter zu sich zu holen. Irgendwie scheinen sowohl Jess als auch Moss an einem Punkt ihres Lebens festzustecken, an dem sie sich zu sehr an Vergangenes klammern, um voran zu gehen. Dass sie sich gemeinsam einen Mikrokosmos erschaffen, innerhalb dessen sich ihr Leben komplett abzuspielen scheint, verstärkt diese Tendenz. Aber keiner von beiden traut sich, diesen Schutzraum zu verlassen. Bis eines Tages Moss feststellen muss, dass Jess' stets gepackter Koffer gemeinsam mit seiner besten und einzigen Freundin verschwunden ist.

Ein wirklich großartiger Film, der aber meiner Meinung nach eher für Erwachsene geeignet ist. Mich hat er an meine Kindheit erinnert, an die Spiele mit meinem Cousin, mit dem ich oft lange Zeit im Haus meiner Großeltern verbrachte. Krampfhaft versuche ich dieses Haus, das inzwischen verkauft wurde, immer in lebendiger und glasklarer Erinnerung zu behalten. Genau um diesen Versuch, beruhigende Elemente der Kindheit in sich zu beschützen, dreht sich dieser Film. Und weil jeder diesen Versuch kennt, übt "Jess und Moss" auch auf alle eine so große Phaszination aus. Und das Besondere daran ist, dass sogar meine Mutter, die die Hintergrundgeschichten der Figuren vermutlich nicht verstanden hat, nur durch die Bilder des Films diese Gedanken ebenfalls wahrgenommen hat. Ein Zeichen dafür, dass hier wirklich mit dem optischen Medium Film gearbeitet wird.

"Jess und Moss" sei hier jedem empfohlen, der sich gerne in seine Kindheit zurückträumt. Hoffentlich schafft der Film es in unsere Kinos.

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