Donnerstag, 18. Februar 2010

Retratos en un mar de mentiras

© Producciones Erwin Goggel/ Regie: Carlos Gaviria
Nach der großartigen Organisation im Cubix am Nachmittag erwartete mich abends im Babylon wieder das Chaos. Trotz zeitiger Ankunft und Aufenthalt im ersten Drittel des Mobs (ich benutze hier ganz bewusst nicht das Wort „Schlange“), ergatterten wir nur noch Plätze in der vierten Reihe, ganz außen, mit minimalem Blick auf die Untertitel, welche jedoch teilweise weiß auf weiß und von daher nicht besonders hilfreich waren. Der Moderator war gut vorbereitet und ziemlich euphorisch in Anbetracht des gut gefüllten Saals. Er lobte das Publikum für sein allabendliches, zahlreiches Erscheinen und ich fragte mich, warum man sich denn auf diesen Ansturm nicht besser einstellen kann, wenn dieser jeden Abend stattfindet.

Der Film war leider etwas anstrengend, was durch die ungünstige Sitzposition noch verstärkt wurde. Trotz recht passabler Spanischkenntnisse war ich auf Grund der chaotischen Erzählweise auf gut 70% der nicht immer sichtbaren Untertitel angewiesen. Für einen Jugendfilm fand ich das Ganze insgesamt auch ein wenig zu hart. Zwar betonte der Regisseur nach dem Film die Abwesenheit blutiger Exzesse, doch hätte ich persönlich gut auf die minutenlange Szene verzichten können, in der ein junges Mädchen schreiend mit ansehen muss, wie seine Mutter verbrennt. Meiner Meinung nach hat man der Protagonistin ihr Leid angesehen, ohne die genauen Details dieses traumatischen Kindheitserlebnisses zu kennen. Der Gewinnerfilm der letzten Berlinale, „La teta asustada“ hat das für meinen Geschmack wesentlich sensibler und dennoch eindrucksvoller herausgearbeitet.

Wenigstens lässt der Regisseur das Ende derGeschichte offen, so dass wir nicht erfahren, ob die junge Marina das Grundstück ihres Großvaters, von dem sie einst gewaltsam vertrieben wurde, zurückerlangen kann. Das Ende sei offen, so der Filmemacher, weil er das Ende der Geschichte seines Landes nicht kenne. Niemand könne sagen, wie es mit Kolumbien weiter ginge. Aha, denke ich mir, es geht also gar nicht um Marina oder das „Menschsein“, wie der Regisseur immer wieder betont, sondern um Kolumbien, seine Heimat. Trotz scheinbar inniger Liebe zu dieser Nation behauptet er aber, er sei sich über die Präsenz der Gewalt lange nicht im Klaren gewesen, was mich stark an meine Großelterngeneration erinnert („Wir haben das ja alles nicht gewusst!“) und daher nicht überzeugt. Nun lobt er Deutschland für seine „reconciliation“ und meint, es sei genau diese, die Kolumbien ebenfalls brauche. Bei all diesen Ausführungen gestikuliert der Regisseur so stark, dass ihm fast sein Blumenstrauß aus der Hand fliegt. Seine spindeldürre Hauptdarstellerin, die er nicht aufhört für ihre Leistung zu loben, bleibt vergleichsweise ruhig und wirkt außerdem in Bezug auf das Thema des Filmes ziemlich unbeteiligt. („Wir haben das ja alles nicht gewusst!“)
Nein, der Film hat mich nicht überzeugt. Ich habe zwar schöne Landschaftsaufnahmen von Kolumbien gesehen, aber die Geschichte war eindimensional, mit wenig Tiefgang und konnte mich nicht bewegen. In meinen Augen hat der Regisseur zu seinem eigenen Film zu viel Distanz. Er will einen Film über eine Seite seines Landes machen, die ihn schockiert, ihm aber auch fremd ist – und das vermutlich auch bleiben soll. Dass er sich nicht ernsthaft auf sein eigenes Thema einlassen kann und will merkt man dem Film an und verhindert, dass man als Zuschauer selbst dieses traurige Thema wirklich an sich heranlässt.

Mehr zum Film

1 Kommentar:

  1. Ich kann dem allen nur zustimmen!
    "Portraits in einem Meer aus Lügen" ist ein Road Movie. Zwischen Anfang und (offenem) Ende gibt es einen Spannungsbogen. Leider lässt die Spannung dazwischen etwas zu wünschen übrig. Man sieht viel von der Schönheit Kolumbiens - und erfährt (zu) wenig von der Geschichte, um die es geht.
    Das mag funktionieren, wenn der Film in Kolumbien gezeigt wird, wo man das Wissen um diese Geschichte voraussetzen kann (?), für ein internationales Publikum reicht das nicht.
    Aber auch handwerklich überzeugt der Film (mich) nicht. Der Regisseur ist stolz darauf, dass in diesem Film, in dem das Thema Gewalt eine so große Rolle spielt, kaum Blut zu sehen ist. In der Tat kommen auch die wildesten Schießereien ohne dergleichen aus. Das mag für einen "Jugendfilm" auch durchaus ok sein. Die Gewaltdarstellung erinnert dadurch allerdings auch an die "saubere Gewalt" unserer Vorabendserien (A-Team). Sie wirkt unecht.
    Realistisch wird es nur in der bereits erwähnten Szene mit dem brennenden Haus, so dass sich der Verdacht aufdrängt, der Verzicht auf die realistischere Darstellung der Gewalt an anderen Stellen des Films könne doch eher finanzielle als filmische Gründe gehabt haben: Eine Hütte abzufackeln ist sicher billiger, als eine Schießerei realistisch zu isnzenieren.
    Ganz schlimm sind die Szenen, die ich für mich selbst "Zombie-Szenen" getauft habe. An einigen Stellen des Films tauchen die Geister der Opfer vor dem (inneren) Auge der Hauptdarstellerin auf. Sie erinnern an Gestalten aus "Night of the living dead". Was an sich nicht schlimm wäre - wenn es sich denn bei "Portraits in einem Meer aus Lügen" um einen Horrorfilm und nicht um einen gesellschaftskritischen Film mit politischer Botschaft handeln würde. So wirken sie allenfalls schlecht gemacht bis lächerlich.
    Schade. Das Thema hätte eine bessere Umsetzung verdient. Und Kolumbien einen besseren Film.

    Volkmar

    AntwortenLöschen