Samstag, 9. Februar 2013

A Long And Happy Life


© Berlinale
Dass der Titel dieses Films mit seinem Inhalt eine eher paradoxe Beziehung eingeht, lassen schon die knappen 77 Minuten Laufzeit vermuten. Aber Dolgaya schastlivaya zhizn, wie der Film im Original heißt, ist nicht nur kurz, sondern definitiv auch das Gegenteil von „happy“. Die Abwärtsspirale des Protagonisten wird auch wirklich zu keiner Zeit durch Humor aufgelockert.
Alexander Sergeevich, genannt Sascha und gespielt von Alexander Yatsenko, betreibt eine kleine Kartoffelfarm, die ihn weder reich noch sonderlich glücklich macht. Seine Freundin Anya (Anna Kotova) drängt ihn dazu, sein Land an den Staat zu verkaufen, der Kleingrundbesitzer für diese Landnahme großzügig entschädigt. Doch die Bauern auf Saschas Farm sind dagegen. Sie wollen für ihren Grund und Boden kämpfen. Kaum hat Sascha sich entschieden, dem Staat die Stirn zu bieten, und damit die Beziehung zu Anya riskiert, desertiert ein Bauer nach dem anderen. Bald steht Sascha alleine in seiner morschen Scheune und wartet im Grunde nur darauf, dass die Beamten in Polizeigeleit bei ihm aufkreuzen, um ihn gewaltsam von seinem Land zu zerren.

Angeblich hat der russische Regisseur Boris Khlebnikov hier einen Western gedreht, zu dem ihn ausgerechnet High Noon inspiriert hat. Okay, der Film spielt in einem kleinen Dorf im Nirgendwo, eventuell vergleichbar mit der Isolation einer Westernstadt mitten in der Prärie. Und wie der Protagonist in Fred Zinnemanns Western wartet auch Sascha im Prinzip nur auf die Konfrontation mit seinen Gegenspielern. Das sind jedoch alle Parallelen, die ich so auf die Schnelle ziehen kann. Es ist allerdings auch ein bisschen her, dass ich High Noon gesehen habe.

Das größte Problem von A Long and Happy Life ist ohne Frage die Charakterzeichnung. Sascha selbst ist wie ein Blatt im Wind. Erst drängt ihn seine Freundin zu der Entscheidung, das Land zu verlassen, dann lässt er sich von den Bauern umstimmen. Umso schwerer wiegt dann der Frust darüber, dass einer nach dem anderen den Schwanz einzieht und das Weite sucht. Dass Sascha am Ende vollends die Nerven verliert ist in Anbetracht dessen zwar irgendwie nachvollziehbar, doch wird diese Charakterwende nur sehr mangelhaft durch die Geschichte vorbereitet. Die Kürze der Zeit mag hier durchaus eine Rolle spielen. Über die Nebencharaktere mag ich gar nicht sprechen, denn die sind meiner Meinung nach nur Schachfiguren, die um Sascha herum positioniert werden, um ihn mal in die eine, mal in die andere Richtung zu treiben und überhaupt so etwas wie Handlung entstehen zu lassen.

Interessant an A Long und Happy Life ist der Vergleich zum gestrigen Film Promised Land, in dem es ebenfalls um Landnahme ging. In Gus Van Sants Inszenierung spielt das Land vor allem eine abstrakte Rolle, symbolisiert ein patriotisches Gemeinschaftsgefühl. Auch wenn es in diesem Film ebenfalls um finanzielle Nöte der Bewohner geht, spielt die Landwirtschaft insgesamt eine untergeordnete Rolle. Anders in der russischen Variante: Hier sind die Bauern auf ihr Land ganz konkret angewiesen. Ihre Not ist sehr viel deutlicher, das Dilemma der Hauptfigur wiegt im Grunde schwerer. Schade eigentlich, dass auch dieser Film sein Thema nicht wirklich attraktiv verpackt und somit wohl auch keine große Beachtung finden wird. 

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