Freitag, 8. Februar 2013

Promised Land


© Focus Features
Das gelobte Land – die Phrase wird nicht nur im Zusammenhang mit dem biblischen Auszug der Israeliten aus Ägypten verwendet. Auch die Amerikaner glaubten in Rückgriff auf diese Geschichte (und glauben es zum Teil immer noch), dass sie Gottes ausgewähltes Volk und die USA Gottes gelobtes Land seien. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich ein US-Film mit dem Titel Promised Land um die amerikanische Identität dreht. Allerdings, so muss ich zugeben, wäre mir das nicht klar gewesen, hätte Matt Damon es nicht in der Pressekonferenz erklärt.  

Die Handlung nämlich dreht sich um etwas ganz anderes: Naturgas. Matt Damon spielt Steve Butler, den Vertreter einer Naturgas-Firma, die in den ländlichen Gebieten der USA Bohrungen durchführen möchte und zu diesem Zwecke den örtlichen Farmern das Land abkauft. Damit bieten sie den auf Grund aussterbender Industrien verarmten Regionen eine willkommene Finanzspritze. Doch so ganz ohne Risiken ist dieser Vorgang natürlich nicht. Und so dauert es auch nicht lange bis Steve mit Dustin Noble (John Krasinski) ein Umweltaktivist gegenüber steht, der ihm seinen aktuellen Deal vermasseln möchte. Obwohl Steve Meister seines Fachs ist, wird es für ihn und seine Kollegin Sue (Frances McDormand) immer enger und eine unerwartete Offenbarung stellt alles in Frage, woran der gutmütige Vertreter geglaubt hat.

Die Idee zum Film und das Drehbuch stammen von Matt Damon und John Krasinski. Eigentlich hatte Damon selbst Regie führen wollen, durch auf Grund anderer beruflicher Verpflichtungen übertrug er diese Aufgabe einem alten Bekannten: Gus Van Sant. Ob das dem Film zu- oder abträglich war, wage ich nicht zu beurteilen. Das Endprodukt jedenfalls kann bedauerlicher Weise nicht durchgängig überzeugen.

Aber kommen wir erst einmal zu den positiven Dingen. Das Drehbuch ist bis kurz vor Schluss großartig. Die Geschichte wird gut erzählt, der Spannungsbogen stimmt, die Dialoge sind pfiffig und der Film entfaltet einen angenehm unaufdringlichen Humor. Zudem haben sich Matt Damon und John Krasinski mit ihren Charakteren ganz klar Mühe gegeben. Wie Damon auch in der Pressekonferenz betonte, gibt es keine Schwarz-Weiß-Zeichnung. Niemand ist nur gut oder nur böse. Insbesondere Steve und Sue verfügen neben ihrer Funktion in der Geschichte auch über einen runden Charakter, der ihr Handeln erklärt. Dabei stellen sie vollkommen unterschiedliche Typen dar. Steve glaubt an das, was er tut. Auf dem Land aufgewachsen, hat er den Niedergang einer Kleinstadt selbst miterlebt und glaubt, mit Hilfe der Naturgas-Förderung andere Menschen vor diesem Schicksal zu bewahren. Sue ist da pragmatischer. Für sie ist das Klinkenputzen bei den Anwohnern nur ein Job. Welches „Produkt“ sie verkauft, ist nebensächlich. Hierin liegt eine interessante Umkehrung der traditionellen Geschlechterrollen. Es ist der Mann, der sich von seinen Gefühlen leiten lässt, während die Frau nüchtern und rational agiert. Damon und Krasinski werden nicht Müde, Sues Unabhängig und gar Überlegenheit immer wieder zu demonstrieren, beispielsweise wenn sie im Gegensatz zu ihrem Kollegen in der Lage ist, einen Schaltwagen zu fahren oder die Bestechung des unliebsamen Naturschützers in die Hand nimmt. Neben dieser vorbildlichen Frauenfigur fällt der zweite weibliche Charakter negativ auf. Alice (Rosemarie DeWitt) ist im Grunde Teil der Dekoration, eine Art Wanderpokal der nur dazu dient, den Wettstreit zwischen Steve und Dustin weiter anzuheizen. 

Ebenso bedauerlich wie diese eindimensionale Charakterzeichnung ist die finale Dramaturgie von Promised Land. Nachdem uns die Filmemacher durch einen wahrhaft unerwarteten Twist noch einmal richtig anheizen, bedienen sie sich dem einfachsten und langweiligsten Plotmechanismus überhaupt, um ihre Geschichte aufzulösen: der pathetischen Rede. Es ist wahrhaft eine Schande, dass sich Matt Damon und John Krasinski ihr bis hierhin fantastisches Drehbuch mit diesem Taschenspielertrick verderben. „Schon wieder so ein amerikanischer Film“, denkt sich der Kinozuschauer, verlässt den Saal und verschwendet nie wieder einen Gedanken daran, worum es in Promised Land eigentlich ging.

Und worum geht es denn nun eigentlich? Matt Damons Beharrlichkeit, dass es nicht um eine ökologische Botschaft ginge, nahm fast verdächtige Ausmaße an. Vielleicht hat er Angst, dass er für diese Art Message in seinem Heimatland ähnlich geächtet wird wie Umweltschützer Dustin bei seinen ersten Überzeugungsversuchen der Kleinstädter. Glaubt man also den beiden Drehbuchautoren, so hat sich das Thema Naturgas quasi zufällig ergeben. Das Grundgerüst der Geschichte stand bereits, da wurde mit diesem aktuellen Problem die Füllmasse geliefert. Den Kern der Geschichte bildet jedoch wie schon erwähnt die amerikanische Identität und zwar in Hinblick auf ein angeblich verblassendes Gemeinschaftsgefühl. Bei der Frage, ob man das eigene Grundstück für Bohrungen hergeben wolle, ginge es schließlich nicht nur um die eigene finanzielle Lage, sondern auch um die Dorfgemeinschaft und die kommenden Generationen, die unter Umständen in einer chemisch kontaminierten Umwelt aufwachsen müssten. Sich wieder auf das Gemeinsame zu besinnen, das sei das Thema von Promised Land. Die religiöse Dimension, die dieser Titel aufmacht, trägt jedoch ebenfalls einen starken Patriotismus in sich und ich bezweifle, dass es den Amis daran fehlt. Statt sich national unter dem Motto „That’s still our barn“ zusammenzurotten, sollten sie sich vielleicht lieber ihrer internationalen Rolle bewusst werden, insbesondere beim Thema Umweltschutz: „That’s still our rain forest“ oder „That’s still our CO2 emission“ könnten alternative Leitsätze bilden. 

So bin ich denn schlussendlich trotz aller Sympathien für Matt Damon und John Krasinski von Promised Land ziemlich enttäuscht. 


1 Kommentar:

  1. Eine vorzügliche Kritik. Den Anteil Inhaltsangabe/Analyse finde ich sehr gut, angenehm auch die Offenheit im ersten Absatz. Diskussionswürdig wäre die These, ob gerade die "pathetische Rede" diesem Film im dafür sehr affigen Amerika nicht zu mehr Akzeptanz verhilft und die Thematik so für einen breiteren Publikumskreis geöffnet wird.

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