Montag, 11. Februar 2013

Before Midnight

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© Despina Spyrou

1995 begeisterten Regisseur Richard Linklater und die Schauspieler Julie Delpy und Ethan Hawke mit ihrem gemeinsamen Film Before Sunrise. Eine ganze Generation fragte sich fortan, was aus Celine (Delpy) und Jesse (Hawke) geworden sei, die eine romantische Nacht in Wien verbracht hatten, nur um sich dann schweren Herzens voneinander zu trennen. Neun Jahre später fanden wir es endlich in Before Sunset heraus. Doch auch hier ließ uns das Filmteam etwas ratlos zurück: Wie würde es weitergehen? Würden sie nun endlich ein Paar werden? Und wieder neun Jahre später bekommen wir mit Before Midnight endlich die langersehnte Antwort. Ich glaube, dass meine Generation – also alles was heute zwischen 25 und 45 ist, ich bin da heute mal großzügig – zu Jesse und Celine eine besondere Bindung hat. Auf mich trifft das in jedem Fall zu. Ich habe die Filme und die Charaktere sehr ins Herz geschlossen und irgendwie habe ich mich mit ihnen zusammen weiterentwickelt. Im ersten Teil waren die Protagonisten noch völlig berauscht von ihrer jugendlichen Liebe, in der Fortsetzung etwas bedachter. Ihre Gesprächsthemen veränderten sich, trafen aber stets das, was mich auch beschäftigte. Und obwohl ich eigentlich ein bisschen zu jung dafür bin, ist das bei Before Midnight wieder der Fall.

Wir treffen Jesse an einem griechischen Flughafen wieder, an dem er seinen Sohn Hank (Seamus Davey-Fitzpatrick) schweren Herzens ins Flugzeug setzt, damit dieser die Heimreise zu seiner Mutter antritt. Denn Jesse lebt inzwischen mit Celine und den gemeinsamen Zwillingen in Europa. Den Sommer haben sie mit Freunden in Griechenland verbracht, doch der Urlaub hat nun ein Ende. Am nächsten Tag geht es zurück nach Frankreich. Vor ihrer Abreise will das vertraute Paar noch eine kinderfreie Nacht im Hotel verbringen. Doch statt Romantik und weltergründenden Gesprächen entsteht vollkommen überraschend etwas ganz anderes: Streit. Ist dies die letzte gemeinsame Nacht von Celine und Jesse?

Before Midnight knüpft stilistisch an die ersten beiden Teile an. Nach Wien und Paris durchstreifen die Protagonisten nun eine nicht näher definierte Region der Halbinsel Peloponnes. Wie schon die beiden Vorgänger lebt auch dieser Film von den langen, oft ungeschnittenen und sehr komplexen Dialogen, die oft in Bewegung stattfinden. Die Themen haben sich wieder einmal geändert. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich die Bedeutung der Begriffe Liebe und Beziehung von einer Generation zur nächsten verändert hat. Schnell wird klar, dass die Geschichte von Before Sunset heute so nicht mehr spielen könnte, da Celine und Jesse sich ohne Weiteres über Facebook oder vergleichbare Internetseiten hätten finden können. Der Zauber, der in ihrem Versprechen lag, sich genau sechs Monate später wieder in Wien zu treffen, ist ein Produkt seiner Zeit. Ein zweites wichtiges Thema, das sich viel zu gut in den diesjährigen Wettbewerb fügt, ist das Verhältnis von Mann und Frau. Celine macht sich über Jesse lustig und behauptet, dieser wünsche sich eine dumme Partnerin an seiner Seite, neben der er sich stark und klug vorkomme. Dahinter verbirgt sich der Frust einer Frau, die ihre Karriere für ihre Familie geopfert hat. Die romantische Liebe ist verflogen und Celine kommt an einen Punkt, an dem sich ihr Leben nicht mehr nur um Jesse dreht. Plötzlich ist eine Trennung kein Weltuntergang mehr, sondern vor auch eine Chance, beruflichen Träumen nachzugehen. Damit setzen sich die Protagonisten mit einem immens zeitgenössischen Thema auseinander, nämlich der (beruflichen) Gleichberechtigung innerhalb einer Beziehung. In einer Zeit, in der unsere Rollen nicht mehr eindeutig definiert sind, müssen wir Aufgaben und Freiräume ständig neu verhandeln. Das besondere an den Auseinandersetzungen zwischen Jesse und Celine ist, dass der Film keinerlei Position bezieht. Der Zuschauer ist stets hin- und hergerissen und kann sich in beide Figuren hineinversetzen. Umso ergreifender ist der Moment, wenn sowohl die Protagonisten als auch das Publikum begreifen, dass sich dieser Konflikt im Grunde nicht lösen lässt.

Before Midnight kann wie die ersten beiden Filme trotz der Dialoglast überzeugen, auch wenn die Städte Wien und Paris eine deutlich interessantere Kulisse geboten haben. Doch das Gewusel einer Großstadt passt nun auch nicht mehr zu unserem Paar, das im ländlichen Griechenland deutlich besser aufgehoben ist. Trotz aller Wiedererkennungswerte bezüglich der Figuren und des Stils kann der dritte Teil der Trilogie etwas Neues hinzufügen: das Element des Streits. Before Midnight wirkt gleichzeitig altbekannt und doch irgendwie ganz anders. Der Film ist kein lauwarmer Aufguss, sondern eine konsequente Weiterentwicklung der Charaktere und ihrer Geschichte.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, lassen Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke auch in Before Midnight das Ende offen und ebnen somit den Weg für eine weitere Fortsetzung. Die ist zwar nicht konkret in Planung, doch wer weiß was die Zukunft bringt. Die nächsten neun Jahre werden hart, aber wir geben die Hoffnung nicht auf! 


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