Donnerstag, 7. Februar 2013

The Grandmaster

© Berlinale/Wild Bunch


The Grandmaster, Eröffnungsfilm der Berlinale und neuestes Werk von Wong Kar Wai, könnte auch folgende Untertitel tragen: „Ein Film über Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen“ oder „Kung-Fuß-Fetischisten“. 

Wie ihr dieser Einleitung sicher ohne Frage entnommen habt, hat The Grandmaster bei mir wenig Begeisterung ausgelöst. Zunächst dachte ich ja, ich hätte den Film einfach nur nicht verstanden. Verzweifelt versuchte ich die Geschichte zu dekodieren, um eine versteckte Botschaft zu entdecken. Bei der Pressekonferenz stellte sich dann jedoch heraus: Es gibt gar keine Botschaft. Es geht auf der oberflächlichen Ebene um Kung-Fu und auf der Subebene – genau – auch um Kung Fu. Aber worum geht es inhaltlich?

Das war mir lange Zeit auch nicht so richtig klar. Aber die Geschichte verläuft ungefähr so: Ein Kung-Fu Großmeister des Nordens (Wang Qingxiang) tritt sein geistiges Erbe, also eine spezielle Form der Martial Arts Lehre, an die nächste Generation ab. Es geht darum, die verschiedenen Strömungen der Kampfkunst am Leben zu erhalten. Dabei unterscheiden sich auch die verschiedenen Regionen Chinas in der Art und Weise, wie Kung Fu praktiziert wird. Die Erbfolge sieht Tochter Gong Er (Ziyi Zhang) als Nachfolgerin vor, doch auch Ma San, (Zhang Jin), ein überambitionierter Schüler des Meisters, ist scharf auf die Position. Und dann gibt es da noch Ip Man (Tony Leung) aus dem Süden, der zunächst als Konkurrent von Gong Er auftritt, später aber zu ihrem Vertrauten wird. Ip Man ist übrigens eine reale Figur, niemand Geringeres als der Kung-Fu Lehrer von Bruce Lee, und Wong Kar Wais Inspiration, diesen Film zu machen. 

Viel mehr Handlung als die eben beschriebene gibt es nicht. Der Fokus von The Grandmaster ist ganz klar ästhetischer Natur. Dabei spielt Wasser in verschiedenen Aggregatzuständen eine besondere Rolle. Wassertropfen, Schneeflocken und Eiszapfen werden durch die Kampfhandlungen aufgescheucht und in Zeitlupe kunstvoll in Szene gesetzt. Überhaupt scheint es weniger darum zu gehen, die Bewegungen des Kung-Fu realistisch abzubilden, als sie kunstvoll zu verpacken. In den durch Schnitte zerhackten Kampfszenen mit ihren zahlreichen Close-Ups auf den Füßen der Kontrahenten sind die Techniken, um die es geht, nur noch rudimentär zu erkennen. Dafür wissen wir jetzt, was für Schuhe Martial Arts Profis in den 30er, 40er und 50er Jahren in China und Hongkong getragen haben. Ist ja auch was wert, oder?!

Obwohl ich in der ersten halben Stunde keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging, haben mich die hoch stilisierten Kampfsequenzen und die Atmosphäre der Schauplätze fasziniert. Dann aber machte diese anfängliche Begeisterung einer wachsenden Langeweile Platz. Spannend wird es nur dann, wenn die Beziehung der Figuren in den Vordergrund rückt, wenn sich zwischen Gong Er und Ip Man eine latente erotische Anziehung entwickelt oder Gong Er den Rachefeldzug gegen Ma San antritt. Doch diese Momente machen einen zu kleinen Teil des Films aus, um den Zuschauer an die Figuren zu binden. Die Hauptrolle spielt klar das Kung-Fu und mit dem kann sich leider auch der größte Martial Arts Fan nicht identifizieren. 

Dennoch hat The Grandmaster in meinen Augen ganz klar eine Daseinsberechtigung. Trotz meiner pazifistischen Ader gefallen mir die Kampfszenen außerordentlich gut. Vermutlich gerade weil sie so stilisiert und ästhetisch sind. Von Brutalität keine Spur und auch Aggression spielt eine stark untergeordnete Rolle. Dass Kung-Fu als Kunst und Lebensgefühl hier bewusst in einen anderen Kontext gestellt wird, verdeutlicht für mich am stärksten eine Szene, in der ein Schwertkampf statt Blutspritzern fliegende Wattebausche auslöst, während ein ganz offensichtlich unrealistisch langer Zug anhaltend im Hintergrund durchs Bild brettert. 

Auch die starke Frauenfigur hat es mir natürlich angetan. Eigentlich ist es erstaunlich, dass ich mit dem Martial Arts Film so wenig anfangen kann, schließlich gibt es in keinem anderen Genre so viele starke Frauenfiguren. Doch Gong Er ist nicht einfach nur eine Kämpferin. Ihre Rolle als Frau wird durchaus problematisiert. Als es darum geht, ihr Erbe anzutreten, wird der Kung-Fu Meisterin vorgeschlagen, doch lieber zu heiraten. Die Entscheidung, in die Fußstapfen des Großmeisters zu treten, ist gleichbedeutend mit der Absage an Ehe und Familiengründung. Dabei geht es weniger darum, dass Gong Er keine Großmeisterin werden darf, sondern vielmehr darum, dass sie sich zwischen Beruf(ung) und Mutterschaft entscheiden muss, ein Dilemma, das meines Erachtens nach sehr aktuell ist.

Die meisten Kollegen waren von The Grandmaster enttäuscht. Mir erging es etwas besser, denn ich hatte weniger erwartet. Nichtsdestotrotz stellt der Film wahrlich keine fulminante Eröffnung des Festivals dar und sicherlich auch keinen Höhepunkt im filmischen Schaffen Wong Kar Wais. 


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