Dienstag, 12. Februar 2013

Camille Claudel 1915

-->
© Berlinale

Und wieder eine tragische Frauenfigur. Camille Claudel 1915 erzählt von, wie sollte es anders sein, Camille Claudel, Künstlerin, sowie Schülerin und Geliebte von Auguste Rodin. Doch im Jahr 1915 ist sie vor allem eins: verrückt und einsam. Von ihrer Familie in ein Asyl für psychisch Kranke verbannt, vegetiert die intelligente Frau vor sich hin. Und wenn sie zuvor noch nicht irre war, ist sie es dort sicher geworden. Umgeben von Patienten mit deutlich stärkeren geistigen Beeinträchtigungen fühlt sich Camille Claudel vollkommen fehlplatziert. Die ständigen Schreie der anderen strapazieren ihre Nerven, so dass sie niemals zur Ruhe kommt. Und dann kämpft Camille natürlich noch mit ihren eigenen „Dämonen“, den plötzliche Gefühlsausbrüchen, vor allem aber der Paranoia, jemand wolle sie vergiften. 

Camille Claudel 1915 lebt von der Hauptdarstellerin Juliette Binoche, für die diese Rolle ohne Frage eine Tour de Force darstellt. Binoche muss starke und vor allem plötzliche Emotionen darstellen. Dabei kommt ihr die Regie von Bruno Dumont insofern nicht entgegen, als dass dieser mit sehr langen Einstellungen arbeitet und die Kamera stets auffällig die Nähe zu den Figuren sucht. Das hat Juliette Binoche trotz all ihres Talents sicher einiges an schauspielerischer Arbeit abverlangt. Aber auch der Zuschauer hat es zugegebener Maßen in Camille Claudel 1915 nicht leicht, denn so trostlos und deprimierend wie das Leben der Hauptfigur ist auch der Film. Die Journalistin, die neben mir saß, schlief während der Pressevorführung mehrfach ein. Andere Kollegen zeigten sich nach dem Screening jedoch begeistert. Vielleicht braucht es ein gewisses filmisches Auge, um über die Abwesenheit jeglicher Form von Handlung hinweg zu sehen und die Inszenierung selbst zu genießen. Mir ist das nicht gelungen.

Trotzdem hat mich Camille Claudel 1915 berührt und ich habe mich gefragt, ob sie als Mann das gleiche Schicksal erlitten hätte. In ihren paranoiden Äußerungen spielt ihr Geschlecht stets eine große Rolle. Männer seien in ihr Atelier eingebrochen, hätten ihre Werkzeuge und Kunstwerke gestohlen. Vor allem Auguste Rodin erwähnt sie immer wieder in diesem Zusammenhang. Sie seien neidisch auf sie gewesen und hätten es noch immer auf sie abgesehen. Wie viel davon Realität, wie viel Teil ihres Wahns ist, erfahren wir leider nicht. 

Insgesamt hätte dieser Film auch interessanter erzählt werden können, z.B. in dem man die Figuren weniger monologisieren ließe. Wenn Camille auf ihren Bruder Paul (Jean-Luc Vincent) trifft, scheinen die beiden sich weniger zu unterhalten, als vielmehr die Briefe zu rezitieren, die Bruno Dumont als Grundlage für seinen Film dienten. Sicher, auch diese Szene entwickelt eine bedrückende Atmosphäre und hat insofern eine Funktion, und doch kann ich mich mit dieser lückenlosen filmischen Depression nicht anfreunden.

Das beste an Camille Claudel 1915 sind die Nebendarsteller, bei denen es sich um "echte" geistig beeinträchtigte Patienten und ihre Pflegerinnen handelt. Die Atmosphäre der Einrichtung und auch der eklatante Unterschied zwischen der geistig wachen Hauptfigur und ihren stark eingeschränkten Mitinsassen hätten mit Schauspielern nicht annähernd so intensiv inszeniert werden können. Doch diese Inszenierung ist nicht attraktiv, sondern abschreckend. Die langen Großaufnahmen von abgebrochenen Zähnen und verzerrten Gesichtern drohen den Zuschauer abzustoßen, vielleicht gar anzuekeln. 

Was soll ich sagen: Camille Claudel 1915 macht einfach keinen Spaß. Natürlich soll der Film auch keinen Spaß machen, genau darum geht es ja. Doch stellt sich hier mal wieder die Frage, was einen guten Film ausmacht, ob es nicht zumindest ein Element geben sollte, dass dem Zuschauer einen wie auch immer gearteten Unterhaltungswert bietet. Aber das ist eine andere Diskussion, die ein anderes Mal geführt werden soll. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen