![]() |
© Berlinale |
Dass der Titel dieses Films mit seinem Inhalt eine eher
paradoxe Beziehung eingeht, lassen schon die knappen 77 Minuten Laufzeit
vermuten. Aber Dolgaya schastlivaya zhizn, wie der Film im Original heißt, ist
nicht nur kurz, sondern definitiv auch das Gegenteil von „happy“. Die
Abwärtsspirale des Protagonisten wird auch wirklich zu keiner Zeit durch Humor
aufgelockert.
Alexander Sergeevich, genannt Sascha und gespielt von Alexander
Yatsenko, betreibt eine kleine Kartoffelfarm, die ihn weder reich noch
sonderlich glücklich macht. Seine Freundin Anya (Anna Kotova) drängt ihn dazu,
sein Land an den Staat zu verkaufen, der Kleingrundbesitzer für diese Landnahme
großzügig entschädigt. Doch die Bauern auf Saschas Farm sind dagegen. Sie wollen
für ihren Grund und Boden kämpfen. Kaum hat Sascha sich entschieden, dem
Staat die Stirn zu bieten, und damit die Beziehung zu Anya riskiert, desertiert
ein Bauer nach dem anderen. Bald steht Sascha alleine in seiner morschen
Scheune und wartet im Grunde nur darauf, dass die Beamten in Polizeigeleit bei
ihm aufkreuzen, um ihn gewaltsam von seinem Land zu zerren.
Angeblich hat der russische Regisseur Boris Khlebnikov hier
einen Western gedreht, zu dem ihn ausgerechnet High Noon inspiriert hat. Okay,
der Film spielt in einem kleinen Dorf im Nirgendwo, eventuell vergleichbar mit
der Isolation einer Westernstadt mitten in der Prärie. Und wie der Protagonist
in Fred Zinnemanns Western wartet auch Sascha im Prinzip nur auf die
Konfrontation mit seinen Gegenspielern. Das sind jedoch alle Parallelen, die
ich so auf die Schnelle ziehen kann. Es ist allerdings auch ein bisschen her,
dass ich High Noon gesehen habe.
Das größte Problem von A Long and Happy Life ist ohne Frage
die Charakterzeichnung. Sascha selbst ist wie ein Blatt im Wind. Erst drängt
ihn seine Freundin zu der Entscheidung, das Land zu verlassen, dann lässt er
sich von den Bauern umstimmen. Umso schwerer wiegt dann der Frust darüber, dass
einer nach dem anderen den Schwanz einzieht und das Weite sucht. Dass Sascha am
Ende vollends die Nerven verliert ist in Anbetracht dessen zwar irgendwie
nachvollziehbar, doch wird diese Charakterwende nur sehr mangelhaft durch die
Geschichte vorbereitet. Die Kürze der Zeit mag hier durchaus eine Rolle
spielen. Über die Nebencharaktere mag ich gar nicht sprechen, denn die sind
meiner Meinung nach nur Schachfiguren, die um Sascha herum positioniert werden,
um ihn mal in die eine, mal in die andere Richtung zu treiben und überhaupt so
etwas wie Handlung entstehen zu lassen.
Interessant an A Long und Happy Life ist der Vergleich zum
gestrigen Film Promised Land, in dem es ebenfalls um Landnahme ging. In Gus Van
Sants Inszenierung spielt das Land vor allem eine abstrakte Rolle,
symbolisiert ein patriotisches Gemeinschaftsgefühl. Auch wenn es in diesem Film
ebenfalls um finanzielle Nöte der Bewohner geht, spielt die Landwirtschaft
insgesamt eine untergeordnete Rolle. Anders in der russischen Variante: Hier
sind die Bauern auf ihr Land ganz konkret angewiesen. Ihre Not ist sehr viel
deutlicher, das Dilemma der Hauptfigur wiegt im Grunde schwerer. Schade
eigentlich, dass auch dieser Film sein Thema nicht wirklich attraktiv verpackt
und somit wohl auch keine große Beachtung finden wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen