© Despina Spyrou |
1995 begeisterten Regisseur Richard Linklater und die
Schauspieler Julie Delpy und Ethan Hawke mit ihrem gemeinsamen Film Before
Sunrise. Eine ganze Generation fragte sich fortan, was aus Celine (Delpy) und Jesse
(Hawke) geworden sei, die eine romantische Nacht in Wien verbracht hatten, nur um
sich dann schweren Herzens voneinander zu trennen. Neun Jahre später fanden wir
es endlich in Before Sunset heraus. Doch auch hier ließ uns das Filmteam etwas
ratlos zurück: Wie würde es weitergehen? Würden sie nun endlich ein Paar
werden? Und wieder neun Jahre später bekommen wir mit Before Midnight endlich die langersehnte
Antwort. Ich glaube, dass meine Generation – also alles was
heute zwischen 25 und 45 ist, ich bin da heute mal großzügig – zu Jesse und
Celine eine besondere Bindung hat. Auf mich trifft das in jedem Fall zu. Ich
habe die Filme und die Charaktere sehr ins Herz geschlossen und irgendwie habe
ich mich mit ihnen zusammen weiterentwickelt. Im ersten Teil waren die
Protagonisten noch völlig berauscht von ihrer jugendlichen Liebe, in der
Fortsetzung etwas bedachter. Ihre Gesprächsthemen veränderten sich, trafen aber
stets das, was mich auch beschäftigte. Und obwohl ich eigentlich ein bisschen
zu jung dafür bin, ist das bei Before Midnight wieder der Fall.
Wir treffen Jesse an einem griechischen Flughafen wieder, an
dem er seinen Sohn Hank (Seamus Davey-Fitzpatrick) schweren Herzens ins
Flugzeug setzt, damit dieser die Heimreise zu seiner Mutter antritt. Denn Jesse
lebt inzwischen mit Celine und den gemeinsamen Zwillingen in Europa. Den Sommer
haben sie mit Freunden in Griechenland verbracht, doch der Urlaub hat nun ein Ende. Am
nächsten Tag geht es zurück nach Frankreich. Vor ihrer Abreise will das vertraute Paar noch eine kinderfreie Nacht im Hotel verbringen. Doch statt Romantik und weltergründenden
Gesprächen entsteht vollkommen überraschend etwas ganz anderes: Streit. Ist
dies die letzte gemeinsame Nacht von Celine und Jesse?
Before Midnight knüpft stilistisch an die ersten beiden
Teile an. Nach Wien und Paris durchstreifen die Protagonisten nun eine nicht
näher definierte Region der Halbinsel Peloponnes. Wie schon die beiden
Vorgänger lebt auch dieser Film von den langen, oft ungeschnittenen und sehr
komplexen Dialogen, die oft in Bewegung stattfinden. Die Themen haben sich wieder einmal geändert. Im
Mittelpunkt steht die Frage, wie sich die Bedeutung der Begriffe Liebe und
Beziehung von einer Generation zur nächsten verändert hat. Schnell wird klar,
dass die Geschichte von Before Sunset heute so nicht mehr spielen könnte, da
Celine und Jesse sich ohne Weiteres über Facebook oder vergleichbare
Internetseiten hätten finden können. Der Zauber, der in ihrem Versprechen lag,
sich genau sechs Monate später wieder in Wien zu treffen, ist ein Produkt
seiner Zeit. Ein zweites wichtiges Thema, das sich viel zu gut in den
diesjährigen Wettbewerb fügt, ist das Verhältnis von Mann und Frau. Celine
macht sich über Jesse lustig und behauptet, dieser wünsche sich eine dumme Partnerin
an seiner Seite, neben der er sich stark und klug vorkomme. Dahinter verbirgt
sich der Frust einer Frau, die ihre Karriere für ihre Familie geopfert hat. Die
romantische Liebe ist verflogen und Celine kommt an einen Punkt, an dem sich
ihr Leben nicht mehr nur um Jesse dreht. Plötzlich ist eine Trennung kein
Weltuntergang mehr, sondern vor auch eine Chance, beruflichen Träumen
nachzugehen. Damit setzen sich die Protagonisten mit einem immens zeitgenössischen
Thema auseinander, nämlich der (beruflichen) Gleichberechtigung innerhalb einer
Beziehung. In einer Zeit, in der unsere Rollen nicht mehr eindeutig definiert sind, müssen wir Aufgaben und Freiräume ständig neu verhandeln. Das besondere an den Auseinandersetzungen zwischen Jesse und Celine
ist, dass der Film keinerlei Position bezieht. Der Zuschauer ist stets hin- und
hergerissen und kann sich in beide Figuren hineinversetzen. Umso ergreifender
ist der Moment, wenn sowohl die Protagonisten als auch das Publikum begreifen,
dass sich dieser Konflikt im Grunde nicht lösen lässt.
Before Midnight kann wie die ersten beiden Filme trotz der
Dialoglast überzeugen, auch wenn die Städte Wien und Paris eine deutlich
interessantere Kulisse geboten haben. Doch das Gewusel einer Großstadt passt
nun auch nicht mehr zu unserem Paar, das im ländlichen Griechenland deutlich
besser aufgehoben ist. Trotz aller Wiedererkennungswerte bezüglich der Figuren
und des Stils kann der dritte Teil der Trilogie etwas Neues hinzufügen: das
Element des Streits. Before Midnight wirkt gleichzeitig altbekannt und doch irgendwie
ganz anders. Der Film ist kein lauwarmer Aufguss, sondern eine konsequente
Weiterentwicklung der Charaktere und ihrer Geschichte.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag,
lassen Richard Linklater, Julie Delpy und Ethan Hawke auch in Before Midnight
das Ende offen und ebnen somit den Weg für eine weitere Fortsetzung. Die ist
zwar nicht konkret in Planung, doch wer weiß was die Zukunft bringt. Die
nächsten neun Jahre werden hart, aber wir geben die Hoffnung nicht auf!
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