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Das gelobte Land – die Phrase wird nicht nur im Zusammenhang
mit dem biblischen Auszug der Israeliten aus Ägypten verwendet. Auch die
Amerikaner glaubten in Rückgriff auf diese Geschichte (und glauben es zum Teil
immer noch), dass sie Gottes ausgewähltes Volk und die USA Gottes gelobtes Land
seien. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich ein US-Film mit dem
Titel Promised Land um die amerikanische Identität dreht. Allerdings, so muss
ich zugeben, wäre mir das nicht klar gewesen, hätte Matt Damon es nicht in
der Pressekonferenz erklärt.
Die Handlung nämlich dreht sich um etwas ganz anderes:
Naturgas. Matt Damon spielt Steve Butler, den Vertreter einer Naturgas-Firma,
die in den ländlichen Gebieten der USA Bohrungen durchführen möchte und zu
diesem Zwecke den örtlichen Farmern das Land abkauft. Damit bieten sie den auf
Grund aussterbender Industrien verarmten Regionen eine willkommene
Finanzspritze. Doch so ganz ohne Risiken ist dieser Vorgang natürlich nicht.
Und so dauert es auch nicht lange bis Steve mit Dustin Noble (John Krasinski)
ein Umweltaktivist gegenüber steht, der ihm seinen aktuellen Deal vermasseln
möchte. Obwohl Steve Meister seines Fachs ist, wird es für ihn und seine
Kollegin Sue (Frances McDormand) immer enger und eine unerwartete Offenbarung
stellt alles in Frage, woran der gutmütige Vertreter geglaubt hat.
Die Idee zum Film und das Drehbuch stammen von Matt Damon
und John Krasinski. Eigentlich hatte Damon selbst Regie führen wollen, durch auf
Grund anderer beruflicher Verpflichtungen übertrug er diese Aufgabe einem alten
Bekannten: Gus Van Sant. Ob das dem Film zu- oder abträglich war, wage ich
nicht zu beurteilen. Das Endprodukt jedenfalls kann bedauerlicher Weise nicht
durchgängig überzeugen.
Aber kommen wir erst einmal zu den positiven Dingen. Das
Drehbuch ist bis kurz vor Schluss großartig. Die Geschichte wird gut erzählt,
der Spannungsbogen stimmt, die Dialoge sind pfiffig und der Film entfaltet
einen angenehm unaufdringlichen Humor. Zudem haben sich Matt Damon und John
Krasinski mit ihren Charakteren ganz klar Mühe gegeben. Wie Damon auch in der
Pressekonferenz betonte, gibt es keine Schwarz-Weiß-Zeichnung. Niemand ist nur
gut oder nur böse. Insbesondere Steve und Sue verfügen neben ihrer Funktion in
der Geschichte auch über einen runden Charakter, der ihr Handeln erklärt. Dabei
stellen sie vollkommen unterschiedliche Typen dar. Steve glaubt an das, was er
tut. Auf dem Land aufgewachsen, hat er den Niedergang einer Kleinstadt selbst
miterlebt und glaubt, mit Hilfe der Naturgas-Förderung andere Menschen vor
diesem Schicksal zu bewahren. Sue ist da pragmatischer. Für sie ist das
Klinkenputzen bei den Anwohnern nur ein Job. Welches „Produkt“ sie verkauft,
ist nebensächlich. Hierin liegt eine interessante Umkehrung der traditionellen
Geschlechterrollen. Es ist der Mann, der sich von seinen Gefühlen leiten lässt,
während die Frau nüchtern und rational agiert. Damon und Krasinski werden nicht
Müde, Sues Unabhängig und gar Überlegenheit immer wieder zu demonstrieren,
beispielsweise wenn sie im Gegensatz zu ihrem Kollegen in der Lage ist, einen
Schaltwagen zu fahren oder die Bestechung des unliebsamen Naturschützers in die
Hand nimmt. Neben dieser vorbildlichen Frauenfigur fällt der zweite weibliche Charakter
negativ auf. Alice (Rosemarie DeWitt) ist im Grunde Teil der Dekoration, eine
Art Wanderpokal der nur dazu dient, den Wettstreit zwischen Steve und Dustin
weiter anzuheizen.
Ebenso bedauerlich wie diese eindimensionale
Charakterzeichnung ist die finale Dramaturgie von Promised Land. Nachdem uns
die Filmemacher durch einen wahrhaft unerwarteten Twist noch einmal richtig
anheizen, bedienen sie sich dem einfachsten und langweiligsten Plotmechanismus überhaupt,
um ihre Geschichte aufzulösen: der pathetischen Rede. Es ist wahrhaft eine
Schande, dass sich Matt Damon und John Krasinski ihr bis hierhin fantastisches
Drehbuch mit diesem Taschenspielertrick verderben. „Schon wieder so ein
amerikanischer Film“, denkt sich der Kinozuschauer, verlässt den Saal und
verschwendet nie wieder einen Gedanken daran, worum es in Promised Land
eigentlich ging.
Und worum geht es denn nun eigentlich? Matt Damons Beharrlichkeit, dass es nicht um eine ökologische Botschaft ginge, nahm fast verdächtige Ausmaße an. Vielleicht hat er Angst, dass er für diese Art Message in
seinem Heimatland ähnlich geächtet wird wie Umweltschützer Dustin bei seinen
ersten Überzeugungsversuchen der Kleinstädter. Glaubt man also den beiden
Drehbuchautoren, so hat sich das Thema Naturgas quasi zufällig ergeben. Das
Grundgerüst der Geschichte stand bereits, da wurde mit diesem aktuellen Problem
die Füllmasse geliefert. Den Kern der Geschichte bildet jedoch wie schon
erwähnt die amerikanische Identität und zwar in Hinblick auf ein angeblich
verblassendes Gemeinschaftsgefühl. Bei der Frage, ob man das eigene Grundstück für
Bohrungen hergeben wolle, ginge es schließlich nicht nur um die eigene
finanzielle Lage, sondern auch um die Dorfgemeinschaft und die kommenden
Generationen, die unter Umständen in einer chemisch kontaminierten Umwelt
aufwachsen müssten. Sich wieder auf das Gemeinsame zu besinnen, das sei das
Thema von Promised Land. Die religiöse Dimension, die dieser Titel aufmacht,
trägt jedoch ebenfalls einen starken Patriotismus in sich und ich bezweifle,
dass es den Amis daran fehlt. Statt sich national unter dem Motto „That’s still
our barn“ zusammenzurotten, sollten sie sich vielleicht lieber ihrer
internationalen Rolle bewusst werden, insbesondere beim Thema Umweltschutz: „That’s
still our rain forest“ oder „That’s still our CO2 emission“ könnten alternative
Leitsätze bilden.
So bin ich denn schlussendlich trotz aller Sympathien für
Matt Damon und John Krasinski von Promised Land ziemlich enttäuscht.
Eine vorzügliche Kritik. Den Anteil Inhaltsangabe/Analyse finde ich sehr gut, angenehm auch die Offenheit im ersten Absatz. Diskussionswürdig wäre die These, ob gerade die "pathetische Rede" diesem Film im dafür sehr affigen Amerika nicht zu mehr Akzeptanz verhilft und die Thematik so für einen breiteren Publikumskreis geöffnet wird.
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