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Dieser Dokumentarfilm über die rechtlichen Problem
binationaler Paare in Österreich interessierte mich vor allem auf Grund meiner
eigenen Arbeit mit Migranten in Berlin. Ich habe mich schon oft mit der Frage
beschäftigt, welche Regeln es für einen Aufenthalt in Deutschland geben sollte,
ob diese Art von Voraussetzung überhaupt sinnvoll und vor allem moralisch
vertretbar ist, etc. Dann aber wieder kenne ich Familien, die seit über zehn
Jahren in Deutschland leben, auf Grund mangelnder Deutschkenntnisse keine
Chance haben, sich zu integrieren, aber auch keinerlei Interesse zeigen, an
diesem Zustand etwas zu ändern. In diesem Zusammenhang habe ich in der Tat
Aussagen gehört wie: „Warum Deutsch lernen und arbeiten gehen, wenn man das Geld
doch sowieso vom Staat bekommt?!“ Es ist also alles nicht so einfach.
Aber zurück zu 727 Tage ohne Karamo. Dokumentarfilmerin
Anja Salomonowitz hat 20 binationale Paare zu ihrer Lebenssituation und den
damit verbunden Problemen befragt. Bei 90 Minuten Film kann sich nun jeder
ausrechnen, dass die Einblicke in den Alltag der Protagonisten stark limitiert
sind. Die Regisseurin hat hier ganz bewusst einen kollektiven Eindruck der
Begleitung einzelner Protagonisten vorgezogen. Für mein Gefühl ergänzen sich
die einzelnen Fragmente aber nur bedingt zu einer gemeinsamen Geschichte. Bei
mehreren Episoden interessierte mich brennend der weitere Verlauf, der Ausgang
eines Verfahrens, Verhandlungen mit den Behörden. Der ständige Wechsel der
Protagonisten erschwert es zudem, eine emotionale Beziehung zu den Figuren
einzugehen. Kaum ist das Drama eines Paares etabliert, geht der Film auch schon
zur nächsten Geschichte über und verlangt von mir, mich auf andere Erzähler
einzulassen.
Das Gefühl einer unüberwindbaren Distanz zum Film wird
durch die starke Inszenierung und Stilisierung verstärkt. Salomonowitz arbeitet
zwar mit „echten“ Protagonisten, arrangiert die Settings, in denen diese zu
Wort kommen, jedoch sehr bewusst. Nicht nur die Kleidung ist aufeinander abgestimmt,
auch die Dekoration der Räume, in denen sie interviewt werden, ist passgenau
farblich arrangiert. Das dokumentarische Moment wird hierdurch immer wieder
gebrochen. Handelt es sich um echte Geschichten oder werden wir Zeuge einer
besonders cleveren Inszenierung? Es mag sein, dass dieses surreale Setting die
Absurdität der behördlichen Hürden symbolisiert. Die ästhetische Brechung
dessen, was wir als dokumentarisch und somit als authentisch empfinden, vergrößert
aber auch die schon angesprochene Distanz zwischen Publikum und Protagonisten.
Es entsteht keine Intimität und die zum Teil hoch emotionalen Geschichten
können den Zuschauer nur schwerlich berühren.
Ich hätte mir zudem eine Darstellung der Gegenseite
gewünscht, die über das Voice Over hinausgeht, das zwischen den
Episoden stets die Rechtslage erörtert. Denn ich gehe davon aus, dass Gesetze
an irgendeiner Stelle eine Funktion und einen Ursprung haben, die ich gerne
kennen würde, um das Problem in seiner Gesamtheit zu erfassen.
727 Tage ohne Karamo gewährt einen interessanten Einblick in
die Einwanderungspolitik Österreichs und vermag damit durchaus zu schockieren. Geschichten
von verzweifelten Ehefrauen, die ihre Männer seit Jahren nicht gesehen haben
oder von Verhaftungen auf dem Standesamt, die Ehen auseinander reißen, die
gerade erst oder noch nicht einmal geschlossen wurden, machen den Zuschauer
fassungslos in Anbetracht eines scheinbar unmenschlichen Rechtssystems. Dass
hierzu die Gegenposition fehlt, nimmt dem Ganzen jedoch ein wenig die
Überzeugungskraft. Schade.
KARAMO!
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