© Ulrich Seidl Film Produktion GmbH |
Wie viel dicke Mädchen darf ein Film über dicke Mädchen
zeigen? Diese Frage ging mir während der Pressevorführung zu Paradies: Hoffnung
immer wieder durch den Kopf. Und ich meine diese Frage weniger quantitativ,
also welche Anzahl von Mädchen, sondern eher qualitativ, also wie viel von
diesen Mädchen darf gezeigt werden.
Ulrich Seidls letzter Teil der Paradies-Trilogie spielt in
einem Diätcamp, in dem sich die Tochter eben jener Frau befindet, die in
Paradies: Liebe Urlaub in Kenia macht. Die 13 jährige Melanie (Melanie Lenz)
kämpft in dieser Zeit nicht nur gegen die Pfunde, sondern vor allem mit der
heimlichen Liebe zum Camp-Arzt (Joseph Lorenz). Der scheint ihre
Annäherungsversuche zunächst zu erwidern, doch letztendlich laufen Melanies
Hoffnungen ins Leere.
Im Kontext dieses Settings ist es nur natürlich, dass wir
die Mädchen und Jungen des Camps auch in körperbetonter Kleidung sehen. Warum
jedoch insbesondere Mädchen stets in knapper Kleidung, mit hautengen Leggings
oder gar lediglich in Unterwäsche zu sehen sind, erschließt sich mir nicht
vollends. Einige der BH-Szenen sind meiner Meinung nach nicht notwendig und
stellen die Schauspielerinnen unnötig bloß. Zudem wirken sie in einem Film, der
sich auch den pädophilen Neigungen eines erwachsenen Mannes annimmt, deplatziert.
Es ist ja nicht nur der Arzt, der es scheinbar genießt, Melanie wieder und
wieder zu untersuchen. Auch wir starren das Mädchen ja unentwegt an. Für meinen
Geschmack gibt Seidl die Protagonisten zu sehr der Lächerlichkeit preis.
Von diesem moralischen Bedenken abgesehen hat mir Paradies:
Hoffnung gut gefallen. Ulrich Seidl gelingt es mit seiner Improvisationsmethode
die jugendlichen Schauspieler immens authentisch zu inszenieren. Die wiederkehrenden,
statischen Einstellungen vestärken die dokumentarische Illusion. Insbesondere die
ausgelassenen Szenen im Mädchenzimmer wirken extrem natürlich, als würde hier
nicht geschauspielert, sondern ganz real über die ersten sexuellen Erfahrungen
gesprochen.
Während Melanie wie aus dem Leben gegriffen wirkt, konnte
ich die Figur ihres Schwarms schwer einordnen. Sind die Flirtereien des Arztes
nur Projektionen jugendlicher Wunschträume? Um was geht es dem erwachsenen Mann
wirklich? Spürt er in der Tat eine erotische Anziehung, gegen die er ankämpft?
Und warum wird das Tabu dieser Liebe an keiner Stelle thematisiert? Auch in
Melanies lauten Überlegungen, ob ihre Zuneigung wohl erwidert werde, ist der
Altersunterschied – im Gegensatz zu ihrem Gewicht – kein Thema.
Die extrem sparsame Ausstattung der Spielorte und der
militärische Drill der jungen Diät-Kurgäste erzeugen eine humorvolle
Absurdität. Insbesondere wenn die schlanke Vorturnerin im pinken Jogginganzug
„If you're happy and you know it clap your fat“ anstimmt und sich die Jugendlichen
beherzt auf Bäuche, Schenkel und Hintern klopfen, kann auch ich trotz aller
Sorge um die Würde der Darsteller nicht umhin, breit zu Schmunzeln. Worum es
Ulrich Seidl mit dieser geradezu surrealen Inszenierung genau geht, ist mir jedoch
leider nicht ganz klar.
Es war
für mich das erste Aufeinandertreffen mit Ulrich Seidls sehr eigenem Stil, der
mich durchaus überzeugt hat. Auch deswegen möchte ich unbedingt zeitnah die
ersten beiden Teil der Trilogie Paradies: Liebe und Paradies: Glaube nachholen. Vielleicht klären sich ja dann auch einige der hier formulierten Fragen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen