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Und wieder eine tragische Frauenfigur. Camille Claudel 1915
erzählt von, wie sollte es anders sein, Camille Claudel, Künstlerin, sowie Schülerin
und Geliebte von Auguste Rodin. Doch im Jahr 1915 ist sie vor allem eins: verrückt und
einsam. Von ihrer Familie in ein Asyl für psychisch Kranke verbannt, vegetiert
die intelligente Frau vor sich hin. Und wenn sie zuvor noch nicht irre war, ist sie es dort sicher geworden. Umgeben von Patienten mit deutlich stärkeren
geistigen Beeinträchtigungen fühlt sich Camille Claudel vollkommen
fehlplatziert. Die ständigen Schreie der anderen strapazieren ihre Nerven, so
dass sie niemals zur Ruhe kommt. Und dann kämpft Camille natürlich noch mit
ihren eigenen „Dämonen“, den plötzliche Gefühlsausbrüchen, vor allem aber der
Paranoia, jemand wolle sie vergiften.
Camille Claudel 1915 lebt von der Hauptdarstellerin Juliette
Binoche, für die diese Rolle ohne Frage eine Tour de Force darstellt. Binoche muss
starke und vor allem plötzliche Emotionen darstellen. Dabei kommt ihr die Regie
von Bruno Dumont insofern nicht entgegen, als dass dieser mit sehr langen Einstellungen arbeitet und die Kamera stets auffällig die Nähe zu den Figuren sucht. Das hat Juliette
Binoche trotz all ihres Talents sicher einiges an schauspielerischer Arbeit
abverlangt. Aber auch der Zuschauer hat es zugegebener Maßen in Camille Claudel
1915 nicht leicht, denn so trostlos und deprimierend wie das Leben der
Hauptfigur ist auch der Film. Die Journalistin, die neben mir saß, schlief
während der Pressevorführung mehrfach ein. Andere Kollegen zeigten sich nach
dem Screening jedoch begeistert. Vielleicht braucht es ein gewisses filmisches
Auge, um über die Abwesenheit jeglicher Form von Handlung hinweg zu sehen und die
Inszenierung selbst zu genießen. Mir ist das nicht gelungen.
Trotzdem hat mich Camille Claudel 1915 berührt und ich habe
mich gefragt, ob sie als Mann das gleiche Schicksal erlitten hätte. In ihren
paranoiden Äußerungen spielt ihr Geschlecht stets eine große Rolle. Männer seien in ihr Atelier eingebrochen, hätten ihre Werkzeuge und Kunstwerke gestohlen.
Vor allem Auguste Rodin erwähnt sie immer wieder in diesem Zusammenhang. Sie
seien neidisch auf sie gewesen und hätten es noch immer auf sie abgesehen. Wie
viel davon Realität, wie viel Teil ihres Wahns ist, erfahren wir leider nicht.
Insgesamt hätte dieser Film auch interessanter erzählt werden können, z.B. in
dem man die Figuren weniger monologisieren ließe. Wenn Camille auf ihren Bruder
Paul (Jean-Luc Vincent) trifft, scheinen die beiden sich weniger zu unterhalten, als
vielmehr die Briefe zu rezitieren, die Bruno Dumont als Grundlage für seinen
Film dienten. Sicher, auch diese Szene entwickelt eine bedrückende Atmosphäre
und hat insofern eine Funktion, und doch kann ich mich mit dieser lückenlosen
filmischen Depression nicht anfreunden.
Das beste an Camille Claudel 1915 sind die Nebendarsteller,
bei denen es sich um "echte" geistig beeinträchtigte Patienten und ihre
Pflegerinnen handelt. Die Atmosphäre der Einrichtung und auch der eklatante
Unterschied zwischen der geistig wachen Hauptfigur und ihren stark eingeschränkten
Mitinsassen hätten mit Schauspielern nicht annähernd so intensiv inszeniert
werden können. Doch diese Inszenierung
ist nicht attraktiv, sondern abschreckend. Die langen Großaufnahmen von
abgebrochenen Zähnen und verzerrten Gesichtern drohen den Zuschauer abzustoßen,
vielleicht gar anzuekeln.
Was soll ich sagen: Camille Claudel 1915 macht einfach
keinen Spaß. Natürlich soll der Film auch keinen Spaß machen, genau darum geht
es ja. Doch stellt sich hier mal wieder die Frage, was einen guten Film ausmacht,
ob es nicht zumindest ein Element geben sollte, dass dem Zuschauer einen wie
auch immer gearteten Unterhaltungswert bietet. Aber das ist eine andere
Diskussion, die ein anderes Mal geführt werden soll.
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