Montag, 11. Februar 2013

Child's Pose


© Cos Aelenei

Frauen um die 60 scheinen in die Liga der interessanten Festivalprotagonistinnen aufgestiegen zu sein, denn nach Gloria stellt nun auch Child’s Pose eine reife Frau und Mutter in den Mittelpunkt. Im Gegensatz zum chilenischen Wettbewerbsbeitrag geht es in dem rumänischen Film aber um den in Gloria nur angedeuteten Ablösungsprozess erwachsener Kinder. Cornelia (Luminita Gheorghiu) mischt sich nicht nur verbal in die Angelegenheiten ihres Sohnes, sie scheut auch nicht davor zurück, seine Wohnung zu durchwühlen und seine Putzfrau auszuhorchen. Als Barbu (Bogdan Dumitrache) eines Nachts einen Autounfall und den Tod eines Kinder verursacht, ist es dementsprechend Cornelia, die die Dinge in die Hand nimmt, Beamten- und Zeugenbestechung inklusive. So wird neben dem familiären Konflikt auch gleich etwas über Korruption und Machtverhältnisse im modernen Rumänien erzählt, denn Cornelia und Barbu gehören zur Oberschicht und sind der Familie des Opfers nicht nur finanziell überlegen. Doch der ungleiche Kampf zwischen Arm und Reich ist nur ein Nebenschauplatz. Der Fokus von Regisseur Calin Peter Netzer liegt klar auf dem Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, denn ausgerechnet in diesem Krisenmoment beginnt Barbu sich zu emanzipieren.

Cornelia ist die absolute Albtraum-Version einer (Schwieger)Mutter, übergriffig auf nahezu allen Ebenen, kontrollsüchtig und intrigant. Und doch wirkt sie mit ihrem unerbittlichen Einsatz für den einzigen Sohn irgendwie sympathisch. Ihre Verlustängste in Anbetracht der einsetzenden Abnabelung Barbus sind so enorm, dass sie ihren "Verlust" mit dem der Eltern des Unfallopfers vergleicht. Und trotz all ihrer Überheblichkeit können wir ihr das nicht so richtig übel nehmen. Denn Cornelia ist in der Tat verzweifelt. Und irgendwie tut es uns ja auch leid, dass Barbu sie ausgerechnet in diesem Moment abzulehnen beginnt, in dem sie ihm eine so große Stütze ist. Auch wenn die Verwöhnung durch die Mutter zu seiner Handlungsunfähigkeit einen großen Teil beigetragen hat, entsteht der Eindruck von Undankbarkeit gegenüber Cornelias Einsatz. 

Zwischenmenschlich passiert in Child’s Pose also jede Menge. Auf der Handlungsebene eher weniger. Die Szenen und Dialoge werden unerbittlich gedehnt, was sich mit unseren Sehgewohnheiten widerspricht und unsere Aufmerksamkeit mächtig auf die Probe stellt. Dennoch wirkt der fast zweistündige Film überraschend kurzweilig. Den dramaturgischen Kniff, der hier geradezu ein Wunder vollbringt, konnte ich jedoch nicht identifizieren. Vielleicht hat es etwas mit den Charakteren zu tun, die durch die Bank sehr komplex und überzeugend konstruiert sind und somit unser Interesse für ihre Geschichte wecken. Löblich ist die auch erneut sehr starke Frauenfigur, denn Cornelia dominiert nicht nur ihren Sohn. Sie ist es ja auch, die Polizisten und Zeugen besticht und in diesen Verhandlungen stets mit großem Selbstbewusstsein auftritt.

Trotz allem ist Child’s Pose weder ein Film, den ich weiter empfehlen noch wiederholt ansehen würde. Dafür ist die Geschichte doch ein wenig zu unspektakulär und altbekannt, die Handlung etwas zu schleppend. Ich bin gespannt, wie der Film bei der Jury angekommen ist.

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