© Cos Aelenei |
Frauen um die 60 scheinen in die Liga der interessanten
Festivalprotagonistinnen aufgestiegen zu sein, denn nach Gloria stellt nun auch
Child’s Pose eine reife Frau und Mutter in den Mittelpunkt. Im
Gegensatz zum chilenischen Wettbewerbsbeitrag geht es in dem rumänischen Film
aber um den in Gloria nur angedeuteten Ablösungsprozess erwachsener Kinder.
Cornelia (Luminita Gheorghiu) mischt sich nicht nur verbal in die
Angelegenheiten ihres Sohnes, sie scheut auch nicht davor zurück, seine Wohnung
zu durchwühlen und seine Putzfrau auszuhorchen. Als Barbu (Bogdan Dumitrache)
eines Nachts einen Autounfall und den Tod eines Kinder verursacht, ist es
dementsprechend Cornelia, die die Dinge in die Hand nimmt, Beamten- und
Zeugenbestechung inklusive. So wird neben dem familiären Konflikt auch gleich
etwas über Korruption und Machtverhältnisse im modernen Rumänien erzählt, denn
Cornelia und Barbu gehören zur Oberschicht und sind der Familie des Opfers
nicht nur finanziell überlegen. Doch der ungleiche Kampf zwischen Arm und Reich
ist nur ein Nebenschauplatz. Der Fokus von Regisseur Calin Peter Netzer liegt
klar auf dem Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, denn ausgerechnet in diesem
Krisenmoment beginnt Barbu sich zu emanzipieren.
Cornelia ist die absolute Albtraum-Version einer (Schwieger)Mutter,
übergriffig auf nahezu allen Ebenen, kontrollsüchtig und intrigant. Und doch wirkt
sie mit ihrem unerbittlichen Einsatz für den einzigen Sohn irgendwie
sympathisch. Ihre Verlustängste in Anbetracht der einsetzenden Abnabelung
Barbus sind so enorm, dass sie ihren "Verlust" mit dem der Eltern des Unfallopfers vergleicht. Und trotz all ihrer Überheblichkeit können wir ihr das nicht
so richtig übel nehmen. Denn Cornelia ist in der Tat verzweifelt. Und irgendwie
tut es uns ja auch leid, dass Barbu sie ausgerechnet in diesem Moment
abzulehnen beginnt, in dem sie ihm eine so große Stütze ist. Auch wenn die Verwöhnung durch
die Mutter zu seiner Handlungsunfähigkeit einen großen Teil beigetragen hat, entsteht der Eindruck von
Undankbarkeit gegenüber Cornelias Einsatz.
Zwischenmenschlich passiert in Child’s Pose also jede Menge.
Auf der Handlungsebene eher weniger. Die Szenen und Dialoge werden unerbittlich
gedehnt, was sich mit unseren Sehgewohnheiten widerspricht und unsere
Aufmerksamkeit mächtig auf die Probe stellt. Dennoch wirkt der fast
zweistündige Film überraschend kurzweilig. Den dramaturgischen Kniff, der hier
geradezu ein Wunder vollbringt, konnte ich jedoch nicht identifizieren.
Vielleicht hat es etwas mit den Charakteren zu tun, die durch die Bank sehr
komplex und überzeugend konstruiert sind und somit unser Interesse für ihre
Geschichte wecken. Löblich ist die auch erneut sehr starke Frauenfigur, denn Cornelia dominiert nicht nur ihren Sohn. Sie ist es ja auch, die Polizisten und Zeugen besticht und in diesen Verhandlungen stets mit großem Selbstbewusstsein auftritt.
Trotz allem ist Child’s Pose weder ein Film, den ich
weiter empfehlen noch wiederholt ansehen würde. Dafür ist die Geschichte doch
ein wenig zu unspektakulär und altbekannt, die Handlung etwas zu schleppend.
Ich bin gespannt, wie der Film bei der Jury angekommen ist.
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