Nicht alle Western sind langweilig. Dieser schon. Kritik
Ende.
Patrick Orth © Schramm |
Nein, so einfach kann ich es mir natürlich nicht machen.
Zudem ist Gold einer dieser Filme, die mir zwar nicht gefallen, die ich aber
aus wissenschaftlichem Interesse gerne noch einmal sehen und analysieren würde.
Aber im Festivalrummel bleibt für derart detaillierte Betrachtungen leider
keine Zeit. Also muss ich nun meine Meinung über den Film von Thomas Arslan in
möglichst wenigen Worten und möglichst treffend zusammen fassen.
Ich beginne mal mit dem Inhalt. Das ist am leichtesten.
Emily (Nina Hoss) schließt sich im Kanada der vorletzten Jahrhundertwende einer
Reisegruppe an, die sich im weit entfernten Dawson auf Goldsuche
begeben möchte. Der Weg ist hart, von Entbehrungen geprägt und natürlich
gefährlich. Wem kann Emily in dieser Gruppe vertrauen? Der Reiseführer (Peter
Kurth) scheint wenig Ahnung von seinem Metier zu haben und der stets
alkoholisierte Journalist Gustav Müller (Uwe Bohm) ist ebenso wenig ein
Sympathieträger. Das Ehepaar Dietz (Rosa Enskat und Wolfgang Packhäuser) hat Emily als allein reisende Frau ohnehin
auf dem Kieker. Da bleibt nur noch der sympathische Packer Carl Boehmer (Marko
Mandic). Doch dem sind Cowboys mit schwarzen Hüten auf den Fersen. Und wir
wissen alle, dass Cowboys mit schwarzen Hüten nichts Gutes im Schilde führen.
Entgegen gegenteiliger Befürchtungen seitens mir und meiner Kollegen
wurde Gold wahrhaftig on location in British Columbia gedreht. Die Bilder der
unberührten, wilden Natur sind eindrucksvoll, auch wenn sie für den klassischen
Westernlook ein wenig zu grün daher kommen. Vielleicht ist dies einer der
Gründe dafür, dass keine richtige Westernstimmung aufkommt und stattdessen immer
wieder ein Gefühl von „gewollt und nicht gekonnt“ entsteht. Da spielt jemand
Banjo, da werden Bohnen gegessen, da poltert ein Planwagen über unbefestigte
Straßen – es liegt auf der Hand, dass wir uns im Westerngenre befinden, doch so
richtig wollen weder die deutsche Sprache, noch die Schauspieler dazu passen.
Neben den genannten Motiven erinnerten mich auch die
Reisenden an einen klassischen Western: In Stagecoach von John
Ford begibt sich ebenfalls eine Gruppe wild zusammengewürfelter Menschen auf
einen unsternbedrohten Trip. Auch hier findet sich eine von den Übrigen
misstrauisch beäugte Dame, die Prostituierte Dallas (Claire Trevor), und ein
zwielichtiger, letztendlich aber natürlich heldenhafter Cowboy namens Ringo
Kid, der natürlich von John Wayne gespielt wird. Doch im weiteren Handlungsverlauf
verlieren sich diese anfänglichen Parallelen zu Gold. Die Zusammenstellung der
Personen und das Reisemotiv sind unter Umständen einfach nur klassischer
Westernstoff.
Einige Elemente fügen sich also gut in das Genrespiel,
andere überhaupt nicht. So wirken manche Dialoge vollkommen deplatziert. Ich
glaube nicht, dass Ende des 19. Jahrhunderts eine Frau mal eben so von ihrer
Scheidung berichtet, als sei es das Normalste der Welt. Auch die Indianer, die
bei jedem Auftauchen ihre Hand aufhalten, erinnern mich eher an ein
zeitgenössisches Vorurteil als an die Abbildung eines historischen Phänomens.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich mit den Reisebedingungen in Kanada
um 1890 nicht so wahnsinnig gut auskenne.
Ebenso wenig wie das Genre überzeugten mich die Schauspieler,
die ihren Rollen nicht so recht Leben und Authentizität einhauchen konnten.
Über die weibliche Hauptfigur erfahren wir so wenig – sie selbst zieht mit den
Worten „Mehr gibt es zu mir nicht zu sagen“ einen Schlussstrich unter ihre
Vorstellung – dass wir sie nur schwer
einordnen können. Ihre Motivation, eine derart quälende Reise auf sich zu
nehmen, bleibt unklar. Ohne also mit einer der Figuren mitzufiebern, schleppt sich
deren Reise doch etwas arg dahin. Ich bin durchaus der Meinung, dass man einen
solchen Trip auch spannender gestalten kann. Highlights bilden die unerwarteten
Flussdurchquerungen, vor Erschöpfung zusammenbrechende Pferde und die fieseste
Amputationsszene, die ich jemals gesehen habe.
Trotz fehlender Begeisterung für die Handlung habe ich über
die Absicht des Regisseurs nachgedacht. Ich habe den Western als ein Genre
kennengelernt, dass immens viel über seine Entstehungskultur verrät. An den
Veränderungen der Westernfilme kann man die gesamte US-amerikanische Kulturgeschichte
des 20. Jahrhunderts ablesen. Ob das mit Deutschland auch funktioniert? Warum
reitet eine Gruppe deutscher Immigranten durch die kanadische Wildnis?
Welche Bedeutung hat der rechtsfreie Raum, in dem sie sich bewegen, die
Abwesenheit gesellschaftlicher Konventionen und Regeln? Während manche Reisende
bereitwillig zur Selbstjustiz greifen, bewahren sich ausgerechnet die sozialen
Außenseiter Emily und Carl bis zum Ende ihre Menschlichkeit. Hier haben wir die
klassischen Westernhelden, die außerhalb der Gesellschaft agieren, sich einer
eigenen, letztendlich überlegenen Moral bedienen und dennoch oder gerade
deshalb nie Teil der zivilisierten Welt werden. Am Ende reitet Nina Hoss „in
den Sonnenuntergang“. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ein bisschen cool
war’s irgendwie schon.
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