Samstag, 9. Februar 2013

Gold


Nicht alle Western sind langweilig. Dieser schon. Kritik Ende.

Patrick Orth © Schramm

Nein, so einfach kann ich es mir natürlich nicht machen. Zudem ist Gold einer dieser Filme, die mir zwar nicht gefallen, die ich aber aus wissenschaftlichem Interesse gerne noch einmal sehen und analysieren würde. Aber im Festivalrummel bleibt für derart detaillierte Betrachtungen leider keine Zeit. Also muss ich nun meine Meinung über den Film von Thomas Arslan in möglichst wenigen Worten und möglichst treffend zusammen fassen.

Ich beginne mal mit dem Inhalt. Das ist am leichtesten. Emily (Nina Hoss) schließt sich im Kanada der vorletzten Jahrhundertwende einer Reisegruppe an, die sich im weit entfernten Dawson auf Goldsuche begeben möchte. Der Weg ist hart, von Entbehrungen geprägt und natürlich gefährlich. Wem kann Emily in dieser Gruppe vertrauen? Der Reiseführer (Peter Kurth) scheint wenig Ahnung von seinem Metier zu haben und der stets alkoholisierte Journalist Gustav Müller (Uwe Bohm) ist ebenso wenig ein Sympathieträger. Das Ehepaar Dietz (Rosa Enskat und Wolfgang Packhäuser) hat Emily als allein reisende Frau ohnehin auf dem Kieker. Da bleibt nur noch der sympathische Packer Carl Boehmer (Marko Mandic). Doch dem sind Cowboys mit schwarzen Hüten auf den Fersen. Und wir wissen alle, dass Cowboys mit schwarzen Hüten nichts Gutes im Schilde führen.

Entgegen gegenteiliger Befürchtungen seitens mir und meiner Kollegen wurde Gold wahrhaftig on location in British Columbia gedreht. Die Bilder der unberührten, wilden Natur sind eindrucksvoll, auch wenn sie für den klassischen Westernlook ein wenig zu grün daher kommen. Vielleicht ist dies einer der Gründe dafür, dass keine richtige Westernstimmung aufkommt und stattdessen immer wieder ein Gefühl von „gewollt und nicht gekonnt“ entsteht. Da spielt jemand Banjo, da werden Bohnen gegessen, da poltert ein Planwagen über unbefestigte Straßen – es liegt auf der Hand, dass wir uns im Westerngenre befinden, doch so richtig wollen weder die deutsche Sprache, noch die Schauspieler dazu passen. 

Neben den genannten Motiven erinnerten mich auch die Reisenden an einen klassischen Western: In Stagecoach von John Ford begibt sich ebenfalls eine Gruppe wild zusammengewürfelter Menschen auf einen unsternbedrohten Trip. Auch hier findet sich eine von den Übrigen misstrauisch beäugte Dame, die Prostituierte Dallas (Claire Trevor), und ein zwielichtiger, letztendlich aber natürlich heldenhafter Cowboy namens Ringo Kid, der natürlich von John Wayne gespielt wird. Doch im weiteren Handlungsverlauf verlieren sich diese anfänglichen Parallelen zu Gold. Die Zusammenstellung der Personen und das Reisemotiv sind unter Umständen einfach nur klassischer Westernstoff.

Einige Elemente fügen sich also gut in das Genrespiel, andere überhaupt nicht. So wirken manche Dialoge vollkommen deplatziert. Ich glaube nicht, dass Ende des 19. Jahrhunderts eine Frau mal eben so von ihrer Scheidung berichtet, als sei es das Normalste der Welt. Auch die Indianer, die bei jedem Auftauchen ihre Hand aufhalten, erinnern mich eher an ein zeitgenössisches Vorurteil als an die Abbildung eines historischen Phänomens. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich mit den Reisebedingungen in Kanada um 1890 nicht so wahnsinnig gut auskenne. 

Ebenso wenig wie das Genre überzeugten mich die Schauspieler, die ihren Rollen nicht so recht Leben und Authentizität einhauchen konnten. Über die weibliche Hauptfigur erfahren wir so wenig – sie selbst zieht mit den Worten „Mehr gibt es zu mir nicht zu sagen“ einen Schlussstrich unter ihre Vorstellung  – dass wir sie nur schwer einordnen können. Ihre Motivation, eine derart quälende Reise auf sich zu nehmen, bleibt unklar. Ohne also mit einer der Figuren mitzufiebern, schleppt sich deren Reise doch etwas arg dahin. Ich bin durchaus der Meinung, dass man einen solchen Trip auch spannender gestalten kann. Highlights bilden die unerwarteten Flussdurchquerungen, vor Erschöpfung zusammenbrechende Pferde und die fieseste Amputationsszene, die ich jemals gesehen habe. 

Trotz fehlender Begeisterung für die Handlung habe ich über die Absicht des Regisseurs nachgedacht. Ich habe den Western als ein Genre kennengelernt, dass immens viel über seine Entstehungskultur verrät. An den Veränderungen der Westernfilme kann man die gesamte US-amerikanische Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts ablesen. Ob das mit Deutschland auch funktioniert? Warum reitet eine Gruppe deutscher Immigranten durch die kanadische Wildnis? Welche Bedeutung hat der rechtsfreie Raum, in dem sie sich bewegen, die Abwesenheit gesellschaftlicher Konventionen und Regeln? Während manche Reisende bereitwillig zur Selbstjustiz greifen, bewahren sich ausgerechnet die sozialen Außenseiter Emily und Carl bis zum Ende ihre Menschlichkeit. Hier haben wir die klassischen Westernhelden, die außerhalb der Gesellschaft agieren, sich einer eigenen, letztendlich überlegenen Moral bedienen und dennoch oder gerade deshalb nie Teil der zivilisierten Welt werden. Am Ende reitet Nina Hoss „in den Sonnenuntergang“. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ein bisschen cool war’s irgendwie schon.  




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen