© Anna Khushvakhtova/ Regie: Alexey Mizgirev |
Auf halber Strecke durch The Convoy glaube ich, einen der
schlechtesten Filme meiner Berlinale-Karriere zu erleben. Die Handlung
erscheint mir bruchstückhaft, der Dialog kryptisch und die Charaktere als
absurde Typen, mit denen zu identifizieren mir nicht mal im Vollsuff einfallen
würde. Am Ende des nur 80 minütigen Streifens hat sich dieses Bild jedoch
interessanter Weise gewandelt und ohne es konkret in Worten begründen zu
können, bin ich gerührt.
Während bei der Hauptfigur Ignat (Oleg Vasilkov) im wahrsten
Sinne ein Stein fällt, fällt bei mir der Groschen. Um die Botschaft von The Convoy
zu vermitteln, braucht es gar keine Lehrbuch-Dramaturgie. In dem Moment, in dem
Regisseur Alexey Mizgirev ein Bild vom Anfang des Films wieder aufgreift und so
einen Rahmen der Geschichte erschafft, fügen sich auch in meinem Kopf die Fragmente
zu einem logischen Ganzen zusammen. Plötzlich nehme ich Gefühle von Schuld,
Scham und Wut wahr, wo zuvor hauptsächlich Ratlosigkeit wenn nicht gar Ärger
vorherrschten.
Ignat hat seine Tochter verloren und gibt sich selbst die
Schuld. Weil das kein anderer tut, obliegt ihm die Aufgabe des Strafens seiner
selbst und er verweigert sich die notwendige Migräne-Medikation, was zu
schweren Zusammenbrüchen und Wahnvorstellungen führt. Vielleicht ist es seiner
Perspektive zuzuschreiben, dass der Film trotz chronologischer Erzählung
zuweilen fragmentarisch wirkt. Auf diese Weise nimmt uns Alexey Mizgirev mit hinein
in die Gefühlwelt seines Protagonisten.
Das Thema Strafe steht im Zentrum der Geschichte von The Convey.
Der Hauptmann Ignat bekommt die Aufgabe, gemeinsam mit einem Berufssoldaten
zwei Deserteure zu überführen. Doch im Laufe der chaotischen Entwicklungen, die
nicht immer unblutig vonstattengehen, keimt bei mir mehr und mehr die Frage,
wer hier eigentlich der wahre Deserteur ist, wer wirklich Strafe verdient und
wer das zu entscheiden hat. Auch Ignat macht einen Wandel durch, der
insbesondere durch seinen Gefangenen beeinflusst wird. Der junge Deserteur mit
dem Spitznamen Clown, der in brenzligen Situationen gerne Witze erzählt, ist
das genaue Gegenteil vom ewig ernsten, zu Weilen gar boshaften und stieräugigen
Ignat. Im Aufeinandertreffen dieser beiden Charaktere entsteht trotz der harten
und schonungslosen Atmosphäre des Films der ein oder andere Moment absurder
Komik.
Drei Sätze bilden auf Grund ihrer Wiederholungen Motive des
Films: „Ich werde mich nicht entschuldigen“, „Du hast es nicht verstanden“ und
„Alle haben die Schlamperei satt“. Was es damit genau auf sich hat, eröffnet
einem der Film erst in seiner Gänze.
Wenn ihr für derartige Botschaftsdekodierung etwas übrig
habt, ist Convoy die 80 Minuten eurer Zeit eindeutig wert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen