© Van Redi/ Regie: Billy Bob Thornton |
Vor 20 Jahren wurde Jim Caldwell (Robert Duvall) von seiner Frau verlassen. Naomie
verabschiedete sich von ihrer Familie und den amerikanischen Südstaaten um in
England ein neues Leben zu beginnen. Weder Jim noch seine Söhne haben diese
Trennung bislang verwunden, Wut und Schmerz in Anbetracht dieses Ereignisses
sind noch immer spürbar. Ihr plötzlicher Tod zwingt die Familie zum Umdenken,
denn Naomie soll in ihrer Heimat in Anwesenheit all ihrer Lieben bestattet
werden. Niemand ist davon begeistert, dass ihr britischer Ehemann Kingsley (John Hurt) mit seinen
zwei Kindern anreist, insbesondere Jim ist voller Hass für den Mann, der ihm
seine Frau gestohlen hat.
Billy Bob Thornton schafft hier geschickt eine explosive Ausgangssituation
für seinen Film. Es handelt sich nicht nur um ein ungewöhnliches
Familientreffen im Alabama des Jahres 1969, sondern auch um die Begegnung zweier
Kulturen. Umso erstaunlicher, dass schnell Gemeinsamkeiten zwischen den beiden
Clans zu Tage treten. Beide Patriarchen haben ein problematisches Verhältnis zu
ihren Söhnen, das in allen Fällen eng mit ihrem Kriegsdienst zusammenhängt.
Keiner der Söhne hat es geschafft, den Stolz seines Vaters zu erringen. Die
Kommunikation innerhalb der Familien ist stark gestört. Erst durch das
unfreiwillige Aufeinandertreffen beginnen die festgefahrenen Strukturen langsam
aufzubrauchen. Wie immer, wenn ein neues Element in ein bestehendes System
eindringt, entsteht eine neue Ordnung.
Fast die gesamte Handlung spielt sich im Anwesen der Familie
Caldwell ab, dessen Ausstattung uns überzeugend in die 60er Jahre mitnimmt. Die
Isolation durch die ländliche Umgebung ist gut gewählt: So wie auch die
Menschen in der Geschichte gezwungen sind, sich miteinander
auseinanderzusetzen, lenkt auch uns nichts von der zentralen Thematik ab. Die
Bandbreite an Charakteren ist enorm: Konservative, Hippies,
Kriegstraumatisierte und natürlich die scheinbar hartherzigen Patriarchen, die
aus einer anderen Ära stammen. Immer wieder geht es um die Frage nach Heldentum
und Männlichkeit, an der sich alle Beteiligten abarbeiten. Das Unverständnis
der Generationen untereinander zieht sich durch bis zu den Enkelkindern des
amerikanischen Teils der Familie.
Natürlich ist das Familientreffen der Katalysator für das
Offenbarwerden lange todgeschwiegener Konflikte. Die Entwicklung, die die
Figuren auf Grund dieses Prozesses durchlaufen, ist durchgehend überzeugend.
Die Absurdität der Situation sorgt für Schmunzeln und zuweilen sogar für
Lacher. Doch Jayne Mansfield’s Car ist keine reine Komödie, sondern ein
eindringliches Familienportrait, in dessen Zentrum das Thema Krieg steht. Denn
hieran entbrennen alle Diskussionen. Wer hat wie an welchem Krieg teilgenommen,
welche Auszeichnungen erhalten? Und was heißt es überhaupt, in einem Krieg zu
kämpfen? Muss man dazu immer Soldat sein? Doch die Gespräche sind nur
Deckmantel um das viel allgemeinere Thema der Liebe und Anerkennung eines
Vaters für seine Kinder. Zwischen den Figuren herrscht keine Herzlichkeit.
Obwohl viele noch unter demselben Dach wohnen, gibt es keine Nähe.
Für meinen Geschmack ist es ein deus ex machina, oder
vielleicht mehr ein „Gott aus der Pille“, der letztendlich für Veränderungen
sorgt. Auch mutet das Ende mir etwas zu pathetisch an. Dennoch gefällt mir die
Art und Weise wie hier durch das Aufeinandertreffen der Familien ein Prozess in
Gang gesetzt wird. Denn so ist es auch im wahren Leben: An anderen fallen uns
Fehler viel eher auf als an uns selbst. Und erst im zweiten Schritt sind wir
dann in der Lage, diese Erkenntnisse auch auf uns selbst zu übertragen.
Billy Bob Thornton hat für seinen Film mit unter anderem Robert Duvall, Kevin Bacon, John Hurt und sich selbst einen großartigen Cast
zusammengestellt, der die komplexen Charaktere gekonnt auf die Leinwand bringt.
Auch das Setting, sowohl lokal als auch epochal, hat mir besonders gut
gefallen. Obwohl der Film in der Vergangenheit spielt, sind die dargestellten
Probleme heute noch so aktuell wie damals. In vielen Momenten, in denen durch
absurde Situationen Komik entstand, fühlte ich mich an meine eigene Familie
erinnert. Manche Dinge sind eben nicht nur in allen Ländern dieser Welt,
sondern auch in allen Epochen gleich.
Mir missfällt, dass Jayne Mansfield’s Car sich etwas zu nah
am amerikanischen Wohlfühlkino einordnet. Auch nehme ich es dem Film übel, dass die
Entwicklung der Story, die zu Beginn so wunderbar aus den Charakteren selbst
generiert wird, am Ende konstruiert wirkt. Trotzdem bewerte ich Billy Bob Thorntons Werk als
empfehlenswert, denn so wie diese beiden Familien einander als Spiegel dienen,
anhand dessen sie Probleme erkennen und bewältigen, kann Jayne Mansfield’s Car
vielleicht auch dem einen oder anderen von uns die destruktiven Strukturen unseres eigenen
Familiensystems vor Augen führen.
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