© Berlinale/ Regie: Daniela Seggiaro |
Die Geschichte dieses ersten Spielfilms der Argentinierin
Daniela Seggiaro ist schnell erzählt: Yola (Rosmeri Segundo), indigener
Abstammung, arbeitet im Haushalt einer weißen Familie. Während die Tochter der
Familie, Antonella (Camila Romagnolo), einem europäischen Schönheitsideal von
blassem Teint und glatten Haaren nacheifert, spielen Dinge dieser Art für Yola
eine untergeordnete Rolle. Ihre Schönheit, so hat sie von ihrer Familie
gelernt, manifestiert sich in ihren Haaren. Daher stürzt es das Mädchen in
tiefe Verzweiflung, als ihre Chefin und Ziehmutter sie dazu zwingt, in
Vorbereitung für Antonellas Geburtstagsfest ihre langen Haare abzuschneiden.
Im Grunde ist damit schon alles erzählt, was auf der
Handlungseben von Nosilatiaj geschieht. Auf einer tieferen Ebene geht es jedoch
weniger um Schönheit als um Identität. Yola ist fremd in dem Haushalt, in dem
sie arbeitet. Vor allem kulturell. Immer wieder wird die Haupthandlung durch
Erinnerungssequenzen unterbrochen, die Yola als kleines Mädchen in ihrem
natürlichen indigenen Umfeld zeigen. Über die verschwommenen Bilder einer
unberührten Natur wird ein Voiceover gelegt, in dem Yola in ihrer Muttersprache
Wichi ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle mit uns teilt. Diese Momente sind
die einzigen, in der wir etwas über das Innenleben der ca. vierzehnjährigen
Yola erfahren, denn in der Haupthandlung ist sie extrem verschlossen,
zurückhaltend und passiv.
Ein wenig empfinde ich eben diese Haltung auch als das Problem
des Films. Wie auch die Hausherrin wollen auch wir als Zuschauer herausfinden,
was in Yola eigentlich vorgeht. Dass sie sich nicht gegen das Abschneiden ihrer
Haare zur Wehr setzt, ist schwer nachzuvollziehen. Ihr stillschweigender und
unbedingter Gehorsam wirkt willenlos, fast depressiv. Sie begibt sich in ihr
Schicksal, doch erkennen wir nicht die Not, die sie zu dieser Aufgabe
motiviert. So entsteht für mich die Frage, ob die Regisseurin und Autorin hier
das Bild des passiven Indigenen anprangern will oder doch in die Falle tappt,
die südamerikanischen Ureinwohner als hilflos und verträumt zu beschreiben. Die
Voiceover-Passagen, die wie Zwischentitel wirken, bestärken mich in diesem
Eindruck, weil sie der indigenen Kultur die Aura des Märchenhaften,
Irrationalen verleihen und sie mit der realistischen Welt der westlichen
Bevölkerung Argentiniens kontrastieren.
Indem mit derartigen Stereotypen gearbeitet wird, macht es sich der Film
meiner Meinung nach ein wenig zu einfach.
Die Ruhe des Films, das langsame Tempo der Geschichte und
den mit Bedacht eingesetzte Dialog, kann ich nicht genießen. Das liegt nicht
daran, dass Langeweile entsteht, sondern dass die depressive Grundstimmung in
mir Aversionen weckt. Innerlich schreie ich Yola an, dass sie sich doch wehren
soll und je länger ich ihrem passiven und stillen Leid zu sehe, desto weniger
Sympathie kann ich für sie empfinden. Wenn dies nicht die Absicht der
Filmemacherin war, geht das Konzept des Films für mich nicht auf. Am Ende bin
ich ratlos und suche nach einer Message, nach irgendetwas, das ich aus diesem
Film mitnehmen kann. Das einzige, das mir einfällt, ist der Aufruf, seiner
eigenen Kultur treu zu bleiben, sich nicht an fremde (Schönheits-)Ideale
anzupassen. Aber dann wieder ist der Film alles andere als ein Aufruf zum
Widerstand. Schade.
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