© Les Films Hatari/ Regie: Frédéric Videau |
Als kleines Mädchen wurde Gaelle (Agathe Bonitzer) entführt
und jahrelang in einem Kellerverlies gefangen gehalten. Ihr Peiniger (Reda
Kateb) ist ein junger Mann, der ihr scheinbar nichts Böses will. Sexuelle oder
gewalttätige Übergriffe fehlen, stattdessen versucht er ihr alle Wünsche zu
erfüllen. Nur dem nach Freiheit kann er natürlich nicht entsprechen. Eines
Tages lässt er sie frei, in der Hoffnung, sie werde aus eigener Entscheidung
bei ihm bleiben. Doch Gaelles Drang nach Freiheit ist zu stark. Dennoch
gestaltet sich ihre Rückkehr ins Leben als schwierig. Sie trifft auf immer
wieder neue Gefängnisse – selbst ihr Elternhaus wird auf Grund der Belagerung
durch die Presse zu einer Falle.
Das Bemerkenswerte an dem Film von Frédéric Videau ist nicht
so sehr die Geschichte, die erzählt wird, sondern die Darstellung des immens komplexen
Verhältnisses zwischen Täter und Opfer. So ist es zum Beispiel Gaelle selbst,
die das Thema Sexualität anspricht, während Vincent, ihr Entführer, mit dieser
Situation vollkommen überfordert ist. In manchen Situationen verschwimmen die
Rollen und plötzlich ist es unklar, wer hier eigentlich die Macht über wen
ausübt. Dabei tappt der Film niemals in die Falle, unserem voyeuristischen
Bedürfnis zu entsprechen. Auf behutsame Weise wird stattdessen das alltägliche
Zusammenleben von Wärter und Gefangener dargestellt. Auch Gaelles Heilungsprozess
nach ihrer Flucht ist frei vom gewohnten Drama und den entsetzlichen
Enthüllungen, wie wir sie aus thematisch vergleichbaren Filmen kennen.
Ich weiß nicht genau woran es liegt, aber so richtig kann
mich die Story nicht in ihren Bann ziehen. Bin ich zu sehr geprägt vom „torture
porn“ unserer Zeit? Brauche ich die Darstellung von Gewalt und Folter, um die
Not der Protagonistin nachzuvollziehen? Dass À moi seule diese Fragen aufwirft,
macht ihn in meinen Augen zu einem guten Film. Eine aufrichtige Empfehlung kann
ich an dieser Stelle jedoch nicht aussprechen. Denn insgesamt bin ich der
Meinung, dass es auch ohne die Elemente von Gewalt, Peinigung und Sexualität
möglich wäre, mich für die Protagonistin und ihren Kampf mit sich selbst
einzunehmen. Eine intensivere Inszenierung von Gaelles Gefühlswelt hätte es mir
persönlich leichter gemacht, mich auf den Film und seine Figuren einzulassen.
Im Endeffekt ist es Vincent, der für mich die interessantere – weil emotional
komplexere – Figur darstellt. Auch dies werte ich erst einmal positiv.
Sympathie für einen Menschen zu erzeugen, der ein kleines Mädchen über Jahre in
einem Kellerverlies gefangen hält, finde ich ziemlich mutig. Es ist
gleichzeitig aber auch gefährlich. Am Ende sagt Vincent zu Gaelle, dass sie
doch immer glücklich miteinander gewesen wären. Und für einen winzig kleinen
Moment sehe ich das genauso. Erschreckend!
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