© wildfremd production/ Regie: Marten Persiel |
„Wir hatten ja nix“, sagt ein guter Freund von mir gerne
über seine Kindheit in der DDR. Das ist natürlich eher ein Running Gag als
alles andere. Wie This Ain’t California zeigt, gab es in der DDR mehr als ich
dachte, zum Beispiel eine Skateboard-Szene.
Regisseur Marten Persiel hat seinen Dokumentarfilm zu großen
Teilen aus angeblichen Privatvideos echter „Ost-Skater“ zusammengesetzt und erzählt anhand
persönlicher Schicksale die Geschichte einer Szene, von der ich bislang nichts
geahnt habe. Die drei Jungs, die im Zentrum des Films stehen, haben sich ihre
ersten Bretter noch selbst gebastelt, später durch Westgeschenke ersetzt und
sind in ihrem Land zu echten Stars herangewachsen. Panik, wie die Hauptfigur
dieses Films von seinen Freunden genannt wird, ist vergangenes Jahr in
Afghanistan gefallen. This Ain’t California will nicht nur der verstorbenen
Szene, sondern auch ihm gedenken.
Manchmal ist vielleicht etwas zu viel Pathos dabei, wenn das
Voice Over von den legendären Aktionen der Skater aus Ostberlin berichtet. Doch
die meiste Zeit kann der augenzwinkernde Tonus des Films ausgezeichnet
unterhalten. Durch die starke persönliche Note geht das Werk über eines Skaterfilms
hinaus und wird zu einem Portrait eines besonderen Menschen, über den wir am
Ende ebenso trauern wie seine Freunde auf der Leinwand.
This Ain’t California ist genauso wenig politisch wie seine
Protagonisten. Ostalgie sucht man hier ebenso vergeblich wie Systemkritik,
dennoch wird mit den absurden Seiten der DDR nicht hinterm Berg gehalten.
Lachen ist erlaubt. Ein fetziger Soundtrack komplettiert das Ganze zu einem
echten Unterhaltungsfilm. Aber auch der Informationsgehalt ist nicht zu
unterschätzen. Nicht nur, dass wir etwas über die Skater-Szene lernen, wir
bekommen auch einen besonderen Einblick in die ostdeutsche Jugendkultur vor der
Wende. Dabei können wir auch mit verfolgen, wie die jungen Männer nach und nach
die Grenzen des Systems entdecken, auskundschaften und herausfordern.
Panik wird in meinen Augen etwas zu stark als Held
inszeniert. Gerade gegen Ende stößt mir das Pathos negativ auf. Dennoch schafft
es Marten Persiel, mich für seine Figuren einzunehmen. Am liebsten will ich mich
sofort mit ihnen bei einem Bier zusammensetzen und mir die ganzen abgefahrenen
Geschichten noch einmal persönlich erzählen lassen.
Die Stimmung im Saal ist großartig. Das Filmteam ist da und
hat eine große Fangemeinde mitgebracht, die häufig für Zwischenapplaus sorgen.
Auch ich habe am Ende eifrig geklatscht. Die Mischung aus Archivmaterial aus
der DDR, den Privatvideos der Skater, animierten Sequenzen und den Interviews
mit den inzwischen erwachsenen Protagonisten bilden zusammen ein rundes
Ergebnis. This Ain’t California ist in meinen Augen ein bemerkenswerter, weil
mutiger Film. Er will nicht nur eine bislang fast unbekannte Facette des Lebens
in der DDR darstellen, sondern auch die Geschichte einzelner Menschen erzählen,
die hier bereitwillig Rede und Antwort stehen.
Absolut empfehlenswert für alle, die bei dem Wort DDR nur an
Pioniere und Betonwüsten denken. Absolut empfehlenswert für alle, die meinen,
der Skateboard-Sport sei untrennbar mit den USA verknüpft. Absolut
empfehlenswert für alle, die sich unterhalten, informieren und bewegen lassen wollen.
Also eigentlich für jeden!
Nachsatz: Wie unter anderem Spielgel Online berichtete, handelt es sich bei THIS AIN'T CALIFORNIA nicht wie von mir angenommen um eine Dokumentation im herkömmlichen Sinne. Die angeblich original Super-8-Aufnahmen sind fiktional, Panik ist eine von den Machern erfundene Figur, die von einem Schauspieler verkörpert wird. Ob dies etwas an der Qualität des Films ändert, soll jeder selbst entscheiden und hängt wohl von der individuellen Interpretation des Worts "Dokumentation" ab.
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