© Carole Bethuel/Regie: Benoît Jacquot |
Einmal mehr darf Diane Kruger der Berlinale ihr Gesicht
verleihen. Nachdem sie bereits 2008 Teil der Wettbewerbsjury war, wird ihr nun
dieses Jahr die Ehre zu Teil, die Festspiele mit ihrem Film Les Adieux à la
Reine zu eröffnen. Der Film von Benoit Jaquot zeigt die letzten Tage der
französischen Königin Marie Antoinette (Diane Kruger) durch die Augen ihrer
Vorleserin (Léa Seydoux), die ihrer kontroversen Herrscherin treu ergeben ist.
Diese unbedingte Treue der Bediensteten gleitet zuweilen in ein homoerotisches
Begehren ab, wenn sie Marie Antoinette tiefe Blicke zuwirft und die körperliche
Nähe der jungen Königin sucht. Die wiederum empfindet ähnliches für die
anmutige Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen). Doch aus dem hier
angedeuteten lesbischen Liebesdreieck wird keine ungewöhnliche Kostümromanze.
Vielmehr versucht Jaquot die Figur der Marie Antoinette hier auf eine neue Art
und Weise darzustellen, jenseits der quietschbunten Version, die uns einst
Sofia Coppola präsentierte.
Der neue Ansatz von Benoit Jaquot und Drehbuchautor Gilles
Taurand will jedoch nicht ganz aufgehen. Der im Grunde talentierte Cast und
Diane Kruger laufen durchs Bild wie eine Gruppe verkleideter Hobbyschauspieler
durch die Kulisse eines Fernsehspiels. Die Abwesenheit der Dekadenz, die
allgemein mit der Figur der Marie Antoinette verknüpft wird, gibt einen Raum freu, der leider durch nichts gefüllt werden kann. Überhaupt
zeichnet sich Les Adieux à la Reine in meinen Augen insbesondere durch das
Fehlen von tradierten Elementen aus. Nicht nur die einem Kostümfilm angemessene
Ausstattung fehlt, sondern auch das historische Setting. Stattdessen beschränkt
sich der Film auf den Mikrokosmus Versailles. Was außerhalb des Palastes
geschieht, ist fernab der Realität unserer Protagonisten und somit auch
jenseits unserer Wahrnehmung als Zuschauer. Doch wie schon im Falle der
Dekadenz wird hier die Abwesenheit für meinen Geschmack zu wenig mit einer
Anwesenheit gefüllt. So bleibt die Figur der Sidonie, durch deren Augen wir die
Geschehnisse erleben, schemenhaft und undurchsichtig. Das geht interessanter
Weise nicht nur mir so, sondern auch ihren Freundinnen auf der Leinwand, die
immer wieder vergeblich versuchen, die junge Frau zu ergründen. Erst ganz am
Ende informiert uns Sidonie in einem Voice Over über Eckdaten ihrer Person und
betont noch einmal ihre enge Beziehung zu Marie Antoinette. Das bestärkt mich
einmal mehr in dem Eindruck, dass die Figur der Sidonie hier nur ein Medium
ist, die Augen, durch die die Kamera schaut, aber kein richtiger Charakter, der
zu der Geschichte des Films etwas beiträgt. Dadurch entgeht dem Film aber auch eine wichtige
Identifikationsfigur, die mich als Zuschauerin stärker an die Geschichte hätte
fesseln können.
Diane Kruger kann mich als Marie Antoinette nicht
überzeugen. Obwohl sie später in der Pressekonferenz behauptet, im selben Alter
wie die Königin zu sein, erscheint sie mir auf der Leinwand zu alt. Die
verspielte Naivität, die ich mit der Figur der Marie Antoinette verknüpfe,
fehlt mir. Vielleicht ist dies dem dargestellten Lebensabschnitt des
Niedergangs geschuldet, vielleicht ist Diane Kruger auch einfach schlecht
besetzt. Ich jedenfalls sehe nicht Marie Antoinette, sondern immer nur wieder
Diane Kruger auf der Leinwand.
Les Adieux à la Reine besticht sicher nicht durch seinen
Spannungsbogen. Das ist im Grunde aber nicht dramatisch, da es sich, wie schon
erwähnt, um ein ungewöhnliches Portrait einer Figur handelt, die wir alle zu
kennen glauben. Durch den Verzicht auf die gewohnten Darstellungsmittel werden
die Erwartungen des Publikums konterkariert. Das macht Les Adieux à la Reine zu
einem definitiv nicht massentauglichen Film. Nicht unbedingt etwas Schlechtes,
wenn man mich fragt. Schlecht ist aber, dass mich der Film nicht eine einzige
Minute davon überzeugen konnte im Versailles des 18. Jahrhunderts zu spielen.
Stattdessen hatte ich das Gefühl, abgefilmtes Theater zu sehen, in dem Diane
Kruger in einem Marie Antoinette Kostüm durch die Gänge des heutigen Versailles
läuft. Und das ist einfach nicht genug für einen Berlinale-Eröffnungsfilm!
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