Freitag, 10. Februar 2012

Aujourd'hui

© Mabeye Dem/ Regie: Alain Gomis
Es ist zu früh für Arthaus-Kino, aber an dieser Stelle kann ich mir das nicht aussuchen. Und so sitze ich 90 Minuten in dem senegalesischen Film von Alain Gomis und versuche mich zu konzentrieren. Das ist nicht ganz einfach, denn auf der Handlungsebene passiert hier nicht viel. Alles beginnt damit, dass Satché (Saül Williams) eines morgens mit der Gewissheit erwacht, sterben zu müssen. Und nicht nur er, sondern auch sein komplettes soziales Umfeld ist auf mysteriöse Weise von seinem nahen Ableben in Kenntnis gesetzt worden. Seinen letzten Tag verbringt Satché zu großen Teilen mit seinem Freund Sele (Djolof M’Bengue), der mit ihm durch die Straßen seiner Heimatstadt streift.

Die Emotionen, die in Anbetracht des Todesereignisses offenbar werden, sind multipel und für mich nicht immer nachvollziehbar. Das liegt höchstwahrscheinlich an meiner kulturellen Prägung. So irritiert es mich zum Beispiel sehr, dass Satché von seinen Nachbarn gefeiert durch die Straßen zieht und frohen Mutes Geschenke einsammelt. Die Umarmungen mit verschiedenen Menschen ziehen sich in meinen Augen fast motivisch durch den gesamten Film. Sie sind ebenso verschieden wie die Emotionen, mit denen auf das Sterben reagiert wird. Manch einer wirft sich Satché heulend um den Hals, andere klopfen ihm gar anerkennend auf die Schulter. Einige wenige scheuen den körperlichen Kontakt, weil sie schon jetzt den schmerzlichen Verlust antizipieren.

Alain Gomis fängt das Leben mit all seinen Facetten ein, das sich Satché an diesem letzten Lebenstag offenbart. Spielende Kinder und traditionelle musikalische Klänge sind davon ebenso ein Teil wie Straßenschlachten. Für einen Moment droht der Film ins Politische abzugleiten, bekommt dann aber noch einmal die Kurve und widmet sich wieder der Detailaufnahme von Satchés Wahrnehmung. Die Close-Ups lenken unsere Aufmerksamkeit auf die kleinen Dinge des Lebens, die so oft unbemerkt vorübergehen und unserem Protagonisten wegen des nahenden Endes plötzlich auffallen.

Mit dem Fortschreiten des Tages verändert sich auch Satchés Stimmung von einer Unbeschwertheit, über panikartige Angstzustände bis hin zur Akzeptanz. Besonders berührend ist die letzte Einstellung des Films, in der wir durch seine Augen blicken. Mit dem Schwarzwerden der Leinwand werden wir Zeuge, wie sich Satchés Augen ein letztes Mal schließen.

Warum alle wissen, dass Satché sterben wird, erklärt uns der Film nicht. Diese mysteriöse Information wird in einer Sphäre traditioneller Spiritualität verortet. Sie spielt für den Film letztendlich aber auch nur eine untergeordnete Rolle, gibt lediglich den Startschuss für Satchés ungewöhnliche Reise durch seinen letzten Lebenstag. Rein optisch ist diese Darstellung gut gelungen. Auch wirft der Film für mich interessante Fragen darüber auf, auf welch unterschiedliche Art und Weise der Tod wahrgenommen werden kann. Gleichzeitig realisiere ich, dass manche Dinge eben doch kulturübergreifend sind, z.B. die Frage danach, ob man das eigene Leben auch ausgeschöpft, wirklich gelebt hat.

Dennoch steht für mich am Ende vor allem die Frage nach dem Warum. Warum einen 90 minütigen Spielfilm dazu drehen? Und warum sollte sich das jemand ansehen? Ich finde nicht wirklich eine Antwort darauf.

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