Dienstag, 14. Februar 2012

Tabu

© Berlinale/ Regie: Miguel Gomes
Ich weiß nicht, was ich von diesem Film halten soll. Vielleicht braucht es ein paar Stunden Reflektion, um mir ein abschließendes Urteil bilden zu können, aber dafür ist leider im Berlinale-Stress keine Zeit. So muss ich also versuchen, meine Gedanken trotz starker Verwirrung auf den Punkt zu bringen.

Am einfachsten ist es, diesen Film von Miguel Gomes in zwei Abschnitten zu beschreiben. Der erste Teil spielt im Portugal der Gegenwart. Dort beobachten wir die herzensgute Pilar (Teresa Madruga), die sich nebst vielen anderen Menschen auch ihrer Nachbarin Aurora (Laura Soveral) annimmt. Die alte Dame ist zunehmend verwirrt, fühlt sich von ihrer Haushälterin bedroht und beginnt, wirre Geschichten von flüchtigen Krokodilen zu erzählen.

In schwarz-weiß und einem sehr langsamen Erzähltempo erleben wir vor allem Pilar in ihrem Alltag. Aurora ist im ersten Teil des Films mehr eine Randfigur. Die Kamera arbeitet beobachtend statt inszenierend, verzichtet auffällig oft auf Zooms und Close-Up. In Kombination mit den langen Szenen führte das in meinem Fall dazu, dass meine Gedanken von der Geschichte abschweiften. Zudem verwirrte mich der Schnitt, der den Zuschauer oft unverhofft in eine vollkommen neue Situation wirft, die nicht immer durch einen establishing shot eingeleitet wird. So entstand bei mir gelegentlich eine vorübergehende Verwirrung in Bezug auf die Relevanz einzelner Szenen. Auch rückblickend wird mir die Funktion dieses ersten Teils des Films nicht klar. Insbesondere, da im zweiten Teil die Figur der Pilar nicht mehr auftritt.

Die zweite Hälfte von Tabu konzentriert sich auf die Geschichte von Aurora, nun in jungen Jahren verkörpert von Ana Moreira. In Afrika geboren, ohne Mutter und mit einem spielsüchtigen Vater aufgewachsen, wächst Aurora zu seiner starken und autarken Persönlichkeit heran. Dennoch sucht sie irgendwann den Hafen der Ehe und wird schwanger. Doch die verbotene Liebe zu Ventura (Carloto Cotto) zerstört ihr idyllisches Leben nachhaltig.

In diesem Teil des Films verzichtet Miguel Gomes komplett auf Dialoge. Stattdessen wird die Geschichte durch ein Voice Over erzählt, die Stimme des in die Jahre gekommenen Ventura (Henrique Espírito Santo), die wir aus der Gegenwartsebene mitnehmen. Noch immer in schwarz-weiß wirkt diese Episode wie ein Stummfilm. Zwar gibt es Geräusche und Musik, doch wirken diese stets wie eine im Nachhinein ergänzte Tonspur. Die Handlung gestaltet sich in der zweiten Hälfte trotz der ungewöhnlichen Erzählweise als deutlich packender, aber auch hier vermag ich nie ganz in den Film einzutauchen. Doch das Spiel mit Bild und Ton hat einen besonderen Reiz, der mich schließlich ein wenig für den Film einnimmt.

Wenn ich den gesamten Film betrachte, wird mir die Notwendig des langen Prologs der Gegenwart nicht klar. In meinen Augen ist er nicht unbedingt notwendig, um den afrikanischen Teil der Geschichte einzuleiten und zieht das gesamte Werk unnötig in die Länge. Die starke Zweiteilung der Handlung, nicht nur auf der Zeit-, sondern auch auf der Darstellungsebene, irritiert mich und will mir ebenso wenig einleuchten. Aber vielleicht muss ich auch einfach nur noch ein paar Stunden über Tabu nachdenken, um den Film schätzen zu lernen.


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