Sonntag, 12. Februar 2012

The Convoy



© Anna Khushvakhtova/ Regie: Alexey Mizgirev
 Auf halber Strecke durch The Convoy glaube ich, einen der schlechtesten Filme meiner Berlinale-Karriere zu erleben. Die Handlung erscheint mir bruchstückhaft, der Dialog kryptisch und die Charaktere als absurde Typen, mit denen zu identifizieren mir nicht mal im Vollsuff einfallen würde. Am Ende des nur 80 minütigen Streifens hat sich dieses Bild jedoch interessanter Weise gewandelt und ohne es konkret in Worten begründen zu können, bin ich gerührt.

Während bei der Hauptfigur Ignat (Oleg Vasilkov) im wahrsten Sinne ein Stein fällt, fällt bei mir der Groschen. Um die Botschaft von The Convoy zu vermitteln, braucht es gar keine Lehrbuch-Dramaturgie. In dem Moment, in dem Regisseur Alexey Mizgirev ein Bild vom Anfang des Films wieder aufgreift und so einen Rahmen der Geschichte erschafft, fügen sich auch in meinem Kopf die Fragmente zu einem logischen Ganzen zusammen. Plötzlich nehme ich Gefühle von Schuld, Scham und Wut wahr, wo zuvor hauptsächlich Ratlosigkeit wenn nicht gar Ärger vorherrschten.

Ignat hat seine Tochter verloren und gibt sich selbst die Schuld. Weil das kein anderer tut, obliegt ihm die Aufgabe des Strafens seiner selbst und er verweigert sich die notwendige Migräne-Medikation, was zu schweren Zusammenbrüchen und Wahnvorstellungen führt. Vielleicht ist es seiner Perspektive zuzuschreiben, dass der Film trotz chronologischer Erzählung zuweilen fragmentarisch wirkt. Auf diese Weise nimmt uns Alexey Mizgirev mit hinein in die Gefühlwelt seines Protagonisten.

Das Thema Strafe steht im Zentrum der Geschichte von The Convey. Der Hauptmann Ignat bekommt die Aufgabe, gemeinsam mit einem Berufssoldaten zwei Deserteure zu überführen. Doch im Laufe der chaotischen Entwicklungen, die nicht immer unblutig vonstattengehen, keimt bei mir mehr und mehr die Frage, wer hier eigentlich der wahre Deserteur ist, wer wirklich Strafe verdient und wer das zu entscheiden hat. Auch Ignat macht einen Wandel durch, der insbesondere durch seinen Gefangenen beeinflusst wird. Der junge Deserteur mit dem Spitznamen Clown, der in brenzligen Situationen gerne Witze erzählt, ist das genaue Gegenteil vom ewig ernsten, zu Weilen gar boshaften und stieräugigen Ignat. Im Aufeinandertreffen dieser beiden Charaktere entsteht trotz der harten und schonungslosen Atmosphäre des Films der ein oder andere Moment absurder Komik. 

Drei Sätze bilden auf Grund ihrer Wiederholungen Motive des Films: „Ich werde mich nicht entschuldigen“, „Du hast es nicht verstanden“ und „Alle haben die Schlamperei satt“. Was es damit genau auf sich hat, eröffnet einem der Film erst in seiner Gänze.

Wenn ihr für derartige Botschaftsdekodierung etwas übrig habt, ist Convoy die 80 Minuten eurer Zeit eindeutig wert. 

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