Freitag, 10. Februar 2012

À moi seule


© Les Films Hatari/ Regie: Frédéric Videau
Als kleines Mädchen wurde Gaelle (Agathe Bonitzer) entführt und jahrelang in einem Kellerverlies gefangen gehalten. Ihr Peiniger (Reda Kateb) ist ein junger Mann, der ihr scheinbar nichts Böses will. Sexuelle oder gewalttätige Übergriffe fehlen, stattdessen versucht er ihr alle Wünsche zu erfüllen. Nur dem nach Freiheit kann er natürlich nicht entsprechen. Eines Tages lässt er sie frei, in der Hoffnung, sie werde aus eigener Entscheidung bei ihm bleiben. Doch Gaelles Drang nach Freiheit ist zu stark. Dennoch gestaltet sich ihre Rückkehr ins Leben als schwierig. Sie trifft auf immer wieder neue Gefängnisse – selbst ihr Elternhaus wird auf Grund der Belagerung durch die Presse zu einer Falle. 

Das Bemerkenswerte an dem Film von Frédéric Videau ist nicht so sehr die Geschichte, die erzählt wird, sondern die Darstellung des immens komplexen Verhältnisses zwischen Täter und Opfer. So ist es zum Beispiel Gaelle selbst, die das Thema Sexualität anspricht, während Vincent, ihr Entführer, mit dieser Situation vollkommen überfordert ist. In manchen Situationen verschwimmen die Rollen und plötzlich ist es unklar, wer hier eigentlich die Macht über wen ausübt. Dabei tappt der Film niemals in die Falle, unserem voyeuristischen Bedürfnis zu entsprechen. Auf behutsame Weise wird stattdessen das alltägliche Zusammenleben von Wärter und Gefangener dargestellt. Auch Gaelles Heilungsprozess nach ihrer Flucht ist frei vom gewohnten Drama und den entsetzlichen Enthüllungen, wie wir sie aus thematisch vergleichbaren Filmen kennen. 

Ich weiß nicht genau woran es liegt, aber so richtig kann mich die Story nicht in ihren Bann ziehen. Bin ich zu sehr geprägt vom „torture porn“ unserer Zeit? Brauche ich die Darstellung von Gewalt und Folter, um die Not der Protagonistin nachzuvollziehen? Dass À moi seule diese Fragen aufwirft, macht ihn in meinen Augen zu einem guten Film. Eine aufrichtige Empfehlung kann ich an dieser Stelle jedoch nicht aussprechen. Denn insgesamt bin ich der Meinung, dass es auch ohne die Elemente von Gewalt, Peinigung und Sexualität möglich wäre, mich für die Protagonistin und ihren Kampf mit sich selbst einzunehmen. Eine intensivere Inszenierung von Gaelles Gefühlswelt hätte es mir persönlich leichter gemacht, mich auf den Film und seine Figuren einzulassen. Im Endeffekt ist es Vincent, der für mich die interessantere – weil emotional komplexere – Figur darstellt. Auch dies werte ich erst einmal positiv. Sympathie für einen Menschen zu erzeugen, der ein kleines Mädchen über Jahre in einem Kellerverlies gefangen hält, finde ich ziemlich mutig. Es ist gleichzeitig aber auch gefährlich. Am Ende sagt Vincent zu Gaelle, dass sie doch immer glücklich miteinander gewesen wären. Und für einen winzig kleinen Moment sehe ich das genauso. Erschreckend!

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