Samstag, 11. Februar 2012

Cesare deve morire

© Umberto Montiroli/ Regie: Paolo & Vittorio Taviani
Wenn man nicht so recht weiß, ob es sich bei einem Film um Fiktion oder Dokumentation handelt, dann benutzt man am besten ein Wort, das mit „meta“ beginnt. Der Begriff „meta“ soll, so glaube ich, eine Art von Selbstreflexivität ausdrücken, einen Verweis auf sich selbst und somit eine erhöhte Komplexität im Gegensatz zu Filmen, die einfach offensichtlich eine frei erfundene Geschichte erzählen. Lange Rede kurzer Sinn: Cesase deve morire war irgendwie so meta.

Auf den ersten Blick handelt es sich um eine Dokumentation über die Theatergruppe eines italienischen Gefängnisses. Auf den zweiten Blick, inszenieren die Regisseure Paolo und Vittorio Taviani hier das Theaterstück Julius Cäsar von William Shakespeare im Gefängnisalltag. Sie verfolgen nicht einfach nur die Proben mit der Kamera, sondern nutzen auf eindrucksvolle Weise die Kulisse des Gefängnisses, um das Drama doppelt zu inszenieren – zum einen als Theaterstück, zum anderen als Film. Interessanter Weise wird das Gefängnis durch diese Dopplung wieder zu einem natürlichen Schauplatz statt zu einer Bühne. Die Parallelen zwischen der Geschichte des Shakespeare-Dramas und dem Gefängnisalltag werden offenbar. Wenn die Menschen nach dem Tod des Herrschers nach Revolution schreien, wirkt das auf eine verstörende Weise wie ein Schrei nach Freiheit, wie die Anfänge eines Aufstandes innerhalb der Gefängnismauern.

Dieses „meta“ ist Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite eröffnet es einen immens vielschichtigen Bedeutungsspielraum, auf der anderen irritiert es den Zuschauer schrecklich. Uns wird etwas Dokumentarisches vorgegaukelt, gleichzeitig aber weisen Close-Ups, Gegenschüsse und die Belichtung immer wieder auf die Inszenierung der Geschehnisse hin. Die Irritation, die entsteht, verhindert es, sich auf das Gesehene einzulassen. Denn auch wenn manchmal der Verdacht aufkommt, hier würden Schauspieler Gefangene spielen, die Schauspieler spielen, handelt es sich in der Tat um die echten Insassen des italienischen Gefängnisses Rebibbia. Schwerverbrecher, einige zu lebenslanger Haft verurteilt, setzen sich mit dem klassischen Stoff auseinander und entdecken nicht nur die Parallelen zu ihrem eigenen Leben, sondern auch die Bedeutung der Kunst an sich. „Since I have known art, this cell has turned into a prison“, sagt einer der Hauptdarsteller am Ende. Eindrückliche Worte, denn sie zeigen, dass auch die Kunst Segen und Fluch zugleich sein kann.

Für mich, die ich in meinem zweiten Leben ja Theaterpädagogin bin, ist der Film auf vielen verschiedenen Ebenen interessant. Ich kann mich nur nicht so recht entscheiden, ob ich nicht lieber eine richtige Dokumentation über den Entstehungsprozess gesehen hätte, die mir die Menschen hinter den Rollen nahe bringt. Die gekonnte und ungewöhnliche Inszenierung von Julius Cäsar im Gefängnis selbst ist jedoch ebenfalls eindrucksvoll und einfach so schön „meta“.

Nach der Vorführung gab es Applaus – ein Applaus, der sich absolut ernst gemeint anfühlte, der nicht entstand, weil er zur Inszenierung einer Wettbewerbs-Pressevorführung gehörte, richtig authentisch, gerade heraus und überhaupt nicht „meta“!

Mehr zum Film


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen