Donnerstag, 9. Februar 2012

Les Adieux à la Reine


© Carole Bethuel/Regie: Benoît Jacquot
Einmal mehr darf Diane Kruger der Berlinale ihr Gesicht verleihen. Nachdem sie bereits 2008 Teil der Wettbewerbsjury war, wird ihr nun dieses Jahr die Ehre zu Teil, die Festspiele mit ihrem Film Les Adieux à la Reine zu eröffnen. Der Film von Benoit Jaquot zeigt die letzten Tage der französischen Königin Marie Antoinette (Diane Kruger) durch die Augen ihrer Vorleserin (Léa Seydoux), die ihrer kontroversen Herrscherin treu ergeben ist. Diese unbedingte Treue der Bediensteten gleitet zuweilen in ein homoerotisches Begehren ab, wenn sie Marie Antoinette tiefe Blicke zuwirft und die körperliche Nähe der jungen Königin sucht. Die wiederum empfindet ähnliches für die anmutige Gabrielle de Polignac (Virginie Ledoyen). Doch aus dem hier angedeuteten lesbischen Liebesdreieck wird keine ungewöhnliche Kostümromanze. Vielmehr versucht Jaquot die Figur der Marie Antoinette hier auf eine neue Art und Weise darzustellen, jenseits der quietschbunten Version, die uns einst Sofia Coppola präsentierte. 

Der neue Ansatz von Benoit Jaquot und Drehbuchautor Gilles Taurand will jedoch nicht ganz aufgehen. Der im Grunde talentierte Cast und Diane Kruger laufen durchs Bild wie eine Gruppe verkleideter Hobbyschauspieler durch die Kulisse eines Fernsehspiels. Die Abwesenheit der Dekadenz, die allgemein mit der Figur der Marie Antoinette verknüpft wird, gibt einen Raum freu, der leider durch nichts gefüllt werden kann. Überhaupt zeichnet sich Les Adieux à la Reine in meinen Augen insbesondere durch das Fehlen von tradierten Elementen aus. Nicht nur die einem Kostümfilm angemessene Ausstattung fehlt, sondern auch das historische Setting. Stattdessen beschränkt sich der Film auf den Mikrokosmus Versailles. Was außerhalb des Palastes geschieht, ist fernab der Realität unserer Protagonisten und somit auch jenseits unserer Wahrnehmung als Zuschauer. Doch wie schon im Falle der Dekadenz wird hier die Abwesenheit für meinen Geschmack zu wenig mit einer Anwesenheit gefüllt. So bleibt die Figur der Sidonie, durch deren Augen wir die Geschehnisse erleben, schemenhaft und undurchsichtig. Das geht interessanter Weise nicht nur mir so, sondern auch ihren Freundinnen auf der Leinwand, die immer wieder vergeblich versuchen, die junge Frau zu ergründen. Erst ganz am Ende informiert uns Sidonie in einem Voice Over über Eckdaten ihrer Person und betont noch einmal ihre enge Beziehung zu Marie Antoinette. Das bestärkt mich einmal mehr in dem Eindruck, dass die Figur der Sidonie hier nur ein Medium ist, die Augen, durch die die Kamera schaut, aber kein richtiger Charakter, der zu der Geschichte des Films etwas beiträgt.  Dadurch entgeht dem Film aber auch eine wichtige Identifikationsfigur, die mich als Zuschauerin stärker an die Geschichte hätte fesseln können. 

Diane Kruger kann mich als Marie Antoinette nicht überzeugen. Obwohl sie später in der Pressekonferenz behauptet, im selben Alter wie die Königin zu sein, erscheint sie mir auf der Leinwand zu alt. Die verspielte Naivität, die ich mit der Figur der Marie Antoinette verknüpfe, fehlt mir. Vielleicht ist dies dem dargestellten Lebensabschnitt des Niedergangs geschuldet, vielleicht ist Diane Kruger auch einfach schlecht besetzt. Ich jedenfalls sehe nicht Marie Antoinette, sondern immer nur wieder Diane Kruger auf der Leinwand. 

Les Adieux à la Reine besticht sicher nicht durch seinen Spannungsbogen. Das ist im Grunde aber nicht dramatisch, da es sich, wie schon erwähnt, um ein ungewöhnliches Portrait einer Figur handelt, die wir alle zu kennen glauben. Durch den Verzicht auf die gewohnten Darstellungsmittel werden die Erwartungen des Publikums konterkariert. Das macht Les Adieux à la Reine zu einem definitiv nicht massentauglichen Film. Nicht unbedingt etwas Schlechtes, wenn man mich fragt. Schlecht ist aber, dass mich der Film nicht eine einzige Minute davon überzeugen konnte im Versailles des 18. Jahrhunderts zu spielen. Stattdessen hatte ich das Gefühl, abgefilmtes Theater zu sehen, in dem Diane Kruger in einem Marie Antoinette Kostüm durch die Gänge des heutigen Versailles läuft. Und das ist einfach nicht genug für einen Berlinale-Eröffnungsfilm! 




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