Dienstag, 14. Februar 2012

Nosilatiaj


© Berlinale/ Regie: Daniela Seggiaro
Die Geschichte dieses ersten Spielfilms der Argentinierin Daniela Seggiaro ist schnell erzählt: Yola (Rosmeri Segundo), indigener Abstammung, arbeitet im Haushalt einer weißen Familie. Während die Tochter der Familie, Antonella (Camila Romagnolo), einem europäischen Schönheitsideal von blassem Teint und glatten Haaren nacheifert, spielen Dinge dieser Art für Yola eine untergeordnete Rolle. Ihre Schönheit, so hat sie von ihrer Familie gelernt, manifestiert sich in ihren Haaren. Daher stürzt es das Mädchen in tiefe Verzweiflung, als ihre Chefin und Ziehmutter sie dazu zwingt, in Vorbereitung für Antonellas Geburtstagsfest ihre langen Haare abzuschneiden. 

Im Grunde ist damit schon alles erzählt, was auf der Handlungseben von Nosilatiaj geschieht. Auf einer tieferen Ebene geht es jedoch weniger um Schönheit als um Identität. Yola ist fremd in dem Haushalt, in dem sie arbeitet. Vor allem kulturell. Immer wieder wird die Haupthandlung durch Erinnerungssequenzen unterbrochen, die Yola als kleines Mädchen in ihrem natürlichen indigenen Umfeld zeigen. Über die verschwommenen Bilder einer unberührten Natur wird ein Voiceover gelegt, in dem Yola in ihrer Muttersprache Wichi ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle mit uns teilt. Diese Momente sind die einzigen, in der wir etwas über das Innenleben der ca. vierzehnjährigen Yola erfahren, denn in der Haupthandlung ist sie extrem verschlossen, zurückhaltend und passiv.

Ein wenig empfinde ich eben diese Haltung auch als das Problem des Films. Wie auch die Hausherrin  wollen auch wir als Zuschauer herausfinden, was in Yola eigentlich vorgeht. Dass sie sich nicht gegen das Abschneiden ihrer Haare zur Wehr setzt, ist schwer nachzuvollziehen. Ihr stillschweigender und unbedingter Gehorsam wirkt willenlos, fast depressiv. Sie begibt sich in ihr Schicksal, doch erkennen wir nicht die Not, die sie zu dieser Aufgabe motiviert. So entsteht für mich die Frage, ob die Regisseurin und Autorin hier das Bild des passiven Indigenen anprangern will oder doch in die Falle tappt, die südamerikanischen Ureinwohner als hilflos und verträumt zu beschreiben. Die Voiceover-Passagen, die wie Zwischentitel wirken, bestärken mich in diesem Eindruck, weil sie der indigenen Kultur die Aura des Märchenhaften, Irrationalen verleihen und sie mit der realistischen Welt der westlichen Bevölkerung Argentiniens kontrastieren.  Indem mit derartigen Stereotypen gearbeitet wird, macht es sich der Film meiner Meinung nach ein wenig zu einfach. 

Die Ruhe des Films, das langsame Tempo der Geschichte und den mit Bedacht eingesetzte Dialog, kann ich nicht genießen. Das liegt nicht daran, dass Langeweile entsteht, sondern dass die depressive Grundstimmung in mir Aversionen weckt. Innerlich schreie ich Yola an, dass sie sich doch wehren soll und je länger ich ihrem passiven und stillen Leid zu sehe, desto weniger Sympathie kann ich für sie empfinden. Wenn dies nicht die Absicht der Filmemacherin war, geht das Konzept des Films für mich nicht auf. Am Ende bin ich ratlos und suche nach einer Message, nach irgendetwas, das ich aus diesem Film mitnehmen kann. Das einzige, das mir einfällt, ist der Aufruf, seiner eigenen Kultur treu zu bleiben, sich nicht an fremde (Schönheits-)Ideale anzupassen. Aber dann wieder ist der Film alles andere als ein Aufruf zum Widerstand. Schade. 



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