Montag, 13. Februar 2012

Wilaya


© Berlinale/ Regie: Pedro Pérez Rosado
Fatimetu (Nadhira Mohamed) wurde zwar in Afrika geboren, wuchs aber in Spanien auf. Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt sie nun in ein Camp für Sarahoui-Flüchtlinge in Algerien zurück, in dem ihre Schwester und ihr Bruder, sowie dessen Frau leben. Der letzte Wille der Mutter war es, dass Fatimetu sich um ihre körperlich behinderte Schwester Hayat (Memona Mohamed) kümmern solle. Da sie sich gerade von ihrem spanischen Freund getrennt hat und es somit nichts gibt, was in Europa auf sie wartet, beschließt die junge Frau, vorerst in Afrika zu bleiben. Dass sie aus einer vollkommen anderen Welt stammt, in der Frauen Auto fahren und „Männerarbeit“ machen, erschwert ihre Rückkehr in das Leben des Lagers. Während sie von Hayat für ihren Mut und ihre Tatkräftigkeit bewundert wird, beschwert sich ihr Bruder Jatri (Ahmed Molud), Fatimetu solle sich endlich wie eine Frau verhalten und heiraten. Stattdessen kauft sie einen Jeep und mit der ortskundigen Unterstützung von Hayat nimmt sie Lieferaufträge jeglicher Art an – ob Kamelkadaver oder Bräute. 

Der Film ist ruhig, es gibt wenig Dialog und die spärliche Kommunikation, die es gibt, scheint oft indirekt. Die Menschen kommen nicht in einen offenen Austausch, sondern spielen auf ihre Konflikte nur an bzw. verschieben diese in den Subtext. Ob das ein kulturelles Merkmal oder ein Faible des Filmemachers ist, wird mir nicht klar. Das Setting in der Wüste ist sehr eindrucksvoll. Der Film vermittelt einen Einblick in das Leben der Bewohner der Flüchtlingslager, ohne dabei auf die Tränendrüse zu drücken oder eine Anklage zu erheben. Lediglich durch eingeblendete Titel vor und nach dem Film wird deutlich, dass es sich bei diesen Lagern und dem Umgang mit den dort lebenden Menschen im Grunde um ein menschrechtswidriges Verfahren handelt. 

Die traditionelle Musik, farbenprächtige Kostüme und das sich stetig wiederholende, fast schon hypnotisch wirkende Eingießen von Tee schaffen eine authentische Atmosphäre, in die wir uns als Zuschauer gerne hinein begeben. Ein bisschen mehr Handlung, ein bisschen mehr Nähe zur Hauptfigur, um für einen für den Zuschauer wahrnehmbaren und nachvollziehbaren Konflikt zu schaffen, hätte Wilaya noch spannender gestaltet. Einzelne Handlungslemente, z.B. die Flucht einer Braut von ihrer Hochzeit, und die Schauspielleistung von Hayat überzeugen leider nicht 100%ig. Doch der Konflikt, der durch das Aufeinanderprallen zweier kultureller Räume insbesondere in Bezug auf die Rolle der Frau entsteht, bietet eine gute Ausgangsbasis für weitergehende Überlegungen. Dass auch hier auf einen mahnenden Zeigefinger verzichtet wird, macht es möglich, die Thematik offen zu legen und das Interesse für Diskussion zu wecken, ohne Urteile vorwegzunehmen. 

Unterm Strich ist Wilaya vor allem durch die Darstellung einer fremden Lebenswelt interessant. Als Ausgangspunkt für Überlegungen zur Rolle der Frau in der arabischen Welt eignet sich der Film in jedem Fall mehr als für einen unterhaltsamen Videoabend. 



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