Sonntag, 12. Februar 2012

Captive

© Berlinale/ Regie: Brillante Mendoza
Ich war noch nie auf den Philippinen und nach Captive von Brillante Mendoza ist mir auch die Lust an diesem Urlaubsziel vergangen. Dass sich die dargestellte Geschichte an realen Ereignissen orientiert, wird mir leider erst zum Schluss des Filmes klar. Die spärlichen Informationen, die wir als Zuschauer über den realen Hintergrund der Story bekommen, hätte ich mir zu Beginn gewünscht, um das Gesehene einzuordnen.

Isabelle Huppert ist die Hauptfigur, eine französische Sozialarbeiterin und Missionarin, die gemeinsam mit Menschen unterschiedlicher Nationalität von der muslimischen Abu-Sayyaf Gruppe entführt und über ein Jahr lang im Dschungel gefangen gehalten wird. Die wenigen Versuche des philippinischen Militärs, die Geiseln zu befreien, gefährden die Gruppe eher als dass sie eine Hilfe darstellen. Während der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Kidnappern und Soldaten stehen die Gefangenen ebenso unter Feuer wie ihre Peiniger. Einige sterben, einige werden frei gelassen und der Rest beginnt sich nach und nach mit der Situation zu arrangieren. Obwohl niemals in Vergessenheit gerät, dass es sich um eine Geiselnahme handelt, entwickelt sich eine Gruppendynamik, in der neben Hass und Angst auch Platz für Freundschaft und gar Liebe ist. Dabei achtet Brillante Mendoza stets darauf, auch die Täter stets als ganze Menschen erscheinen zu lassen und sie nicht als urböse Stereotypen zu inszenieren.

Zwei Dinge stören mich gewaltig an Captive. Zum einen ist das die Kamera, die wacklig und eher aus einer beobachtenden Perspektive heraus die Geschehnisse fast dokumentarisch einfängt. Das unstete Bild macht den zwei Stunden langen Film zu einem anstrengenden Seherlebnis. Die Wahl dieses Stilmittels will mir nicht ganz einleuchten. Obwohl die Kameraführung mir suggeriert, dass es sich hier nicht um reine Fiktion, sondern realistische Geschehnisse handelt, zieht mich das Gesehene kaum in seinen Bann. Auch in dieser Hinsicht hätte eine kleine thematische Einführung geholfen und dem für mich dokumentarisch anmutenden Stil eine klare Funktion verliehen. Captive schafft es nicht, mich für seine Figuren einzunehmen. Es bleibt immer eine Distanz, ich bleibe immer Beobachter, ebenso wie die Kamera. Das zieht den Film gefühlt in die Länge.

Mein zweiter Kritikpunkt richtet sich gegen die Geschichte. In meinen Augen fehlt hier ein roter Faden, eine klare Handlung, die Spannung erzeugen und aufrecht erhalten könnte. Das Fehlen eines packenden Plots trägt zusätzlich dazu bei, dass es mir irgendwann fast egal ist, ob die Geiseln sterben oder befreit werden – Hauptsache der Film geht mal zu Ende. So hat sich das Brillante Mendoza sicher nicht gedacht.

Natürlich ist nicht alles schlecht an Captive. Die schauspielerische Leistung des gesamten Casts ist bewundernswert. Um die Spannungen zwischen Kidnappern und Opfern so authentisch wie möglich zu inszenieren, wurden die Gruppen vor dem Dreh getrennt und erst zu Drehbeginn zusammengeführt. So konnte sich offensichtlich auch zwischen den Schauspielern eine Eigendynamik entwickeln, die wir im Film wiederentdecken. Zudem fängt die Kamera auf eindrucksvolle Weise den philippinischen Dschungel ein. Auch hier muss ich wieder an einen Dokumentarfilm denken, als mich Mendoza nicht davor verschont, Zeuge des Mittagsmals einer Würgeschlange zu werden.

Insgesamt aber bleibe ich zu weit außerhalb der Geschichte, zu weit entfernt von den Figuren, um wirklich um ihr Wohl zu bangen. Ein stärkerer Fokus auf die Hauptfigur, eine genauere Beobachtung ihrer individuellen Wahrnehmung und Bewältigung der Ereignisse hätten es mir leichter gemacht, mich auf den Film einzulassen. Informationen über die Hintergründe dieser Entführungswelle wären in der Lage gewesen, mein Interesse für die Geschehnisse zu verstärken. So aber ist Captive für mich ebenso wenig ansprechend wie das Urlaubsziel der Philippinen.

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