Montag, 13. Februar 2012

Jayne Mansfield's Car


© Van Redi/ Regie: Billy Bob Thornton
Vor 20 Jahren wurde Jim Caldwell (Robert Duvall) von seiner Frau verlassen. Naomie verabschiedete sich von ihrer Familie und den amerikanischen Südstaaten um in England ein neues Leben zu beginnen. Weder Jim noch seine Söhne haben diese Trennung bislang verwunden, Wut und Schmerz in Anbetracht dieses Ereignisses sind noch immer spürbar. Ihr plötzlicher Tod zwingt die Familie zum Umdenken, denn Naomie soll in ihrer Heimat in Anwesenheit all ihrer Lieben bestattet werden. Niemand ist davon begeistert, dass ihr britischer Ehemann Kingsley (John Hurt) mit seinen zwei Kindern anreist, insbesondere Jim ist voller Hass für den Mann, der ihm seine Frau gestohlen hat. 

Billy Bob Thornton schafft hier geschickt eine explosive Ausgangssituation für seinen Film. Es handelt sich nicht nur um ein ungewöhnliches Familientreffen im Alabama des Jahres 1969, sondern auch um die Begegnung zweier Kulturen. Umso erstaunlicher, dass schnell Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Clans zu Tage treten. Beide Patriarchen haben ein problematisches Verhältnis zu ihren Söhnen, das in allen Fällen eng mit ihrem Kriegsdienst zusammenhängt. Keiner der Söhne hat es geschafft, den Stolz seines Vaters zu erringen. Die Kommunikation innerhalb der Familien ist stark gestört. Erst durch das unfreiwillige Aufeinandertreffen beginnen die festgefahrenen Strukturen langsam aufzubrauchen. Wie immer, wenn ein neues Element in ein bestehendes System eindringt, entsteht eine neue Ordnung.

Fast die gesamte Handlung spielt sich im Anwesen der Familie Caldwell ab, dessen Ausstattung uns überzeugend in die 60er Jahre mitnimmt. Die Isolation durch die ländliche Umgebung ist gut gewählt: So wie auch die Menschen in der Geschichte gezwungen sind, sich miteinander auseinanderzusetzen, lenkt auch uns nichts von der zentralen Thematik ab. Die Bandbreite an Charakteren ist enorm: Konservative, Hippies, Kriegstraumatisierte und natürlich die scheinbar hartherzigen Patriarchen, die aus einer anderen Ära stammen. Immer wieder geht es um die Frage nach Heldentum und Männlichkeit, an der sich alle Beteiligten abarbeiten. Das Unverständnis der Generationen untereinander zieht sich durch bis zu den Enkelkindern des amerikanischen Teils der Familie. 

Natürlich ist das Familientreffen der Katalysator für das Offenbarwerden lange todgeschwiegener Konflikte. Die Entwicklung, die die Figuren auf Grund dieses Prozesses durchlaufen, ist durchgehend überzeugend. Die Absurdität der Situation sorgt für Schmunzeln und zuweilen sogar für Lacher. Doch Jayne Mansfield’s Car ist keine reine Komödie, sondern ein eindringliches Familienportrait, in dessen Zentrum das Thema Krieg steht. Denn hieran entbrennen alle Diskussionen. Wer hat wie an welchem Krieg teilgenommen, welche Auszeichnungen erhalten? Und was heißt es überhaupt, in einem Krieg zu kämpfen? Muss man dazu immer Soldat sein? Doch die Gespräche sind nur Deckmantel um das viel allgemeinere Thema der Liebe und Anerkennung eines Vaters für seine Kinder. Zwischen den Figuren herrscht keine Herzlichkeit. Obwohl viele noch unter demselben Dach wohnen, gibt es keine Nähe. 

Für meinen Geschmack ist es ein deus ex machina, oder vielleicht mehr ein „Gott aus der Pille“, der letztendlich für Veränderungen sorgt. Auch mutet das Ende mir etwas zu pathetisch an. Dennoch gefällt mir die Art und Weise wie hier durch das Aufeinandertreffen der Familien ein Prozess in Gang gesetzt wird. Denn so ist es auch im wahren Leben: An anderen fallen uns Fehler viel eher auf als an uns selbst. Und erst im zweiten Schritt sind wir dann in der Lage, diese Erkenntnisse auch auf uns selbst zu übertragen. 

Billy Bob Thornton hat für seinen Film mit unter anderem Robert Duvall, Kevin Bacon, John Hurt und sich selbst einen großartigen Cast zusammengestellt, der die komplexen Charaktere gekonnt auf die Leinwand bringt. Auch das Setting, sowohl lokal als auch epochal, hat mir besonders gut gefallen. Obwohl der Film in der Vergangenheit spielt, sind die dargestellten Probleme heute noch so aktuell wie damals. In vielen Momenten, in denen durch absurde Situationen Komik entstand, fühlte ich mich an meine eigene Familie erinnert. Manche Dinge sind eben nicht nur in allen Ländern dieser Welt, sondern auch in allen Epochen gleich. 

Mir missfällt, dass Jayne Mansfield’s Car sich etwas zu nah am amerikanischen Wohlfühlkino einordnet. Auch nehme ich es dem Film übel, dass die Entwicklung der Story, die zu Beginn so wunderbar aus den Charakteren selbst generiert wird, am Ende konstruiert wirkt. Trotzdem bewerte ich Billy Bob Thorntons Werk als empfehlenswert, denn so wie diese beiden Familien einander als Spiegel dienen, anhand dessen sie Probleme erkennen und bewältigen, kann Jayne Mansfield’s Car vielleicht auch dem einen oder anderen von uns die destruktiven Strukturen unseres eigenen Familiensystems vor Augen führen. 

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